Seltfam traurig find die Stunden im Herbit. 
Kannten Sie diefes Herbitlied, ma Princefle? 
Aber ich wollte Ihnen ja pon Iwa no Hirne erzählen. 
In einem Buche, das in zartgetönte Seide gebunden war, las 
ich jüngit wenige Zeilen pon Iwa no Hirne. Sie war eine Kaiferin 
im Lande Japan und iit feit Pielen Jahren tot. 
Sie trug eine Sehnfucht in ihrer Bruit, trug eine Sehnfucht in 
ihrer Seele, eine Sehnfucht, die mit jedem Tage wuchs, die, wenn 
das Abendrot fleh über Japans Himmel ausbreitete, ihr kleines 
Herz zu zerfprengen drohte. Und als fie eines Abends das 
glühende Rot über dem heiligen See Pon Iware emporfteigen 
fah, konnte üe die große Sehnfucht nicht länger geheim halten 
und tauchte einen Pinfel in die zinnoberrote Farbe der Leiden- 
fchaft und fchrieb in zitternden Zeichen an die blaßlila Papier- 
wand ihres Gemachs: 
„Bis daß der weiße Reif des Alters fleh auf meine rabenfehwar- 
zen Haare legt, will ich mein ganzes langes Leben durch nichts 
weiter tun als warten, warten, warten auf Dich, den meine ganze 
Seele liebt.. 
Der Schluß ift fehr traurig, ma Princefle; die Kaiferin Iwa no 
Hirne mußte dafür fterben, daß fie ihre große Sehnfucht nicht 
in einem Winkel ihrer Seele perborgen hielt. Dort aber, wo 
man fie im glatten See pon Iware perfenkte, entftehen pon der 
Stunde an unabläffig Kreife, die fleh ausbreiten und an die Ufer 
wachfen. 
Iwa no Hirne, Du Herrliche, Du Reiche! ift es deine Sehnfucht, 
die nicht zur Ruhe kommen kann? 
Das, ma Princefle, träumte mir, als ich die wenigen Zeilen 
der japanifchen Kaiferin in jenem Buche mit feidenem Finband 
gelefen hatte. Und — wie fonderbar — am Tage, der diefem 
Traume porausging, habe ich Sie zum erftenmal gefehen. 
Und Iwa no Hirne, die ich im Traume fah, trug Ihre Züge. Herbft 
ift es auch. Die Stunden haben eine feltfame, fchwermütige 
Traurigkeit im Gefolge. 
Adieu, ma Princefle!
	        
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