Volltext: Gesellschaft, Künstler und Kommunismus

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gut wie anfällig, Künstler zu beschäftigen. Die revolutionären Par 
teien Deutschlands (ob ausländische ist mir unbekannt) haben nicht 
nur keinen Versuch gemacht, diese Lage des kommunistischen 
Künstlers zu erkennen und ihn auf Grund ihrer marxistisch ge 
schulten Intelligenz zur Lösung seines Dilemmas zu verhelfen, sie 
haben sich begreiflicherweise, da es sich um keine Massenerschei 
nungen handelte, nicht darum gekümmert, sie haben sich jedoch 
des öfteren mit einer für revolutionäre Marxisten beschämenden 
Verständnislosigkeit in ihren Kritiken über die verschiedensten 
„ . . . ismen“ und sonstige künstlerische Versuche ergangen, deren 
A und O die bequeme Behauptung war, alles dies sei, weil er ver 
worren, unreif und unverständlich ist, ein Produkt bürgerlicher 
Dekadenz. In vielen Fällen handelt es sich jedoch um das, wenn 
auch vielleicht erfolglose Bemühen kommunistischer Künstler, die 
zweite Phase ihres Weges zum Kommunismus, die revolutionäre 
Umstellung ihrer Produktion vorzunehmen. 
,.Wissen Sie“, klagte mir kürzlich ein Genosse, „der Künstler, 
er mag ein noch so zuverlässiger Kamerad sein, sich noch so sehr 
unserer Sache hingeben, in der Partei wird er noch Jahre hindurch 
nicht voll angesehen, da er früher einmal vielleicht Expressionist, 
Anarchist, Dadaist, Nihilist oder sowas gewesen sein mag — 
wissen Sie, das tragen die Genossen einem nach, so wie der brave 
Bürger einer Dirne, die heiratete und; sich seitdem auch nicht das 
Geringste zuschulden kommen ließ, niemals ihr „Vorleben“ ver 
gessen und verzeihen kann.“ 
Dies Verhalten hat seine Gründe: Künstler können mit ihrer 
überladenen Individualität, wenn sie es auch ehrlich meinen, in 
einer Partei, die Einsicht, Disziplin und Tatkraft anstrebt, mehr 
schaden als nützen. Dies ist ohne weiteres zuzugeben, aber den 
noch ist es unbedingt falsch, Probleme, und seien es die nebensäch 
lichsten, zu umgehen statt sie zu lösen. Revolutionäre haben ge 
fährliche Sektieremeigungen! Leute ablehnen, sie boykottieren, links 
liegen lassen, überlegen abtun, weil sie einem nicht gleichen, weil 
sie Fehler begingen, oder weil sie unbequeme Probleme aufrollen 
— das ist weder revolutionär noch proletarisch. 
Es ist eben historisch ganz unmöglich, daß ein Künstler eben 
so rasch und verhältnismäßig reibungslos die sozialen Bedingt 
heiten seiner in der bürgerlichen Welt erworbenen Berufsauffassung 
überwindet, wie er sich politisch von hergebrachten Vorstellungen 
befreien kann. Denn politisch bemüht man sich um ihn, denkt man, 
schreibt und spricht für ihn, dringt auf ihn ein, führt ihn und läßt 
ihn niemals rat- und richtungslos allein. Beruflich ist der Künstler
	        
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