Volltext: Gesellschaft, Künstler und Kommunismus

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Organisierung dieser Schichten erschweren, auch lähmend auf die 
künstlerische Produktion einwirken müssen: falls der an der Spitze 
der Organisation stehende Künstler zum Maßstab seiner Tätigkeit 
seine individuelle künstlerische Anschauung macht. Es würden 
so die andern Anschauungen ausgeschaltet und die Oeffentlichkeit 
fast ausschließlich mit den Produkten einer zufälligen „Richtung“ 
vorlieb nehmen müssen. Das hieße aber, alle andern Richtungen 
ihrer Arbeitsmöglichkeit berauben, und müßte als Folgeerschei 
nung viele Künstler dazu bewegen, nur um zu leben, völlig ober 
flächliche durch keine Entwicklung und Erkenntnis bedingte Ar 
beiten der jeweiligen Konjunktur entsprechend herzustellen. Na 
türlich würden Qualität und Mannigfaltigkeit der künstlerischen 
Erzeugnisse dadurch sinken und so der Existenz- und Schaffens 
trieb der Künstlerschaft als Gesamtheit unbefriedigt bleiben. Das 
Ergebnis solcher Zustände wäre: Die Künstlerschaft und der künst 
lerisch orientierte Teil der Bevölkerung würde im Sowjet-Staat in 
seiner konterrevolutionären, kleinbürgerlich anarchistischen Stei 
lung beharren, ja bestärkt werden. 
Daß dies verhindert werden muß, ist klar, wenn man bedenkt, 
welch ungeheure Macht die Kunst im weitesten Sinn des Wortes 
z. B. im Weltkrieg darstellte. Die ganze Kriegsromantik der 
Jugend von 1914, ein gut Teil des weltpolitischen Größenwahns 
der verschiedenen Nationen, die ganze Glorifizierung des „Helden 
todes“, der „Mannestreue“, des „Seemannsloses“, all die nationali 
stische Verhetzung und Ueberheblichkeit wurde — wenn auch 
nicht verursacht — so doch genährt und gezüchtet von den Lie 
dern und Erzählungen, Bildern und Zeichnungen, Märchen und 
Gedichten, Romanen und Theaterstücken, womit man vor und 
während des Krieges die verschiedenen Nationen überschwemmte 
Daß bis heute die Revolution nur in ganz schwachen Ansätzen da 
zu fähig ist — in ihrem Sinne natürlich —, es ebenso zu machen, 
daß die revolutionäre Propaganda sich im wesentlichen beschränkt 
auf wissenschaftliche Beweisführung und kritisch-polemische Fol 
gerungen, das ist sicherlich ein Hauptgrund dafür, daß der kom 
munistische Gedanke sich so schwer in den breiten Massen festsetzt. 
Es wurde bereits (auf Seite 13) kurz erwähnt, wie un 
angebracht die Ueberlegenheitsgeste unserer Politiker ist gegen 
über den tastenden und unreifen Versuchen junger Künstler, ihre 
bürgerliche Arbeits- und Betrachtungsweise zu überwinden. Aber 
diese Tendenz ist nicht nur ungerecht, sie ist äußerst schädlich für 
die ganze heutige Bewegung und in den Weiterungen auch für die 
Entwicklung einer proletarischen Kultur. Es handelt sich hier um 
eine Art akademischen Intellektualismus, eine in den marxistischen
	        
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