Volltext: Gesellschaft, Künstler und Kommunismus

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und Müdigkeit erfüllte Welt einen Sturm der Begeisterung und 
Tatenfreudigkeit, der Zukunftshoffnungen, des Gemeinschaftsglau 
bens tragen. Dieser jugendliche Atem wird auch die Künstler 
erfassen. Einen Teil von ihnen; der andere wird, erschreckt von der 
Unerbittlichkeit, von den Schmerzen und Härten des geschichtlichen 
Ablaufs auftreten als Apostel des Vergangenen und Sterbenden, 
als gefährliche Anwälte der Güte und Gerechtigkeit. Auch sie 
werden politisiert ihre Kräfte der Wirklichkeit zukehren, aber im 
unerwünschten Sinne: nährend die Erinnerung an ach! entschwun 
dene Zeiten, da alles so ruhig, ordentlich und friedlich war. 
Besonders schwer wird es sein, diese letztgenannte Tendenz 
zu unterdrücken, da sie sich vielleicht ganz harmlos geltend macht, 
indem sie lediglich die vom Bürgerdasein her gewohnten Lieder 
und Spiele, Bücher und Gedanken, Bilder und Schriften weiterver 
breitet und produziert wie früher. Mit Gewalt wird nur vorüber 
gehend dieses Gift, die „lieben alten Gewohnheiten“ dem Gesell 
schaftskörper zu entziehen sein, dauernd wirksame Waffen dagegen 
kann nur die neue, vom Geist der Revolution erfüllte künstlerische 
Produktion liefern. Denn alte Bedürfnisse können nicht getötet 
werden. Sie können nur mit neuen Inhalten erfüllt und so in Har 
monie mit dem neuen System gebracht werden. 
Die Frage taucht auf: An welchen Erinnerungswerten und 
Komplexen, Vorstellungen, Empfindungen und Sehnsüchten der 
breiten, vor allem der noch indifferenten Massen kann die künstle 
rische Propaganda im Sinne des Kommunismus anknüpfen? Und 
wie sind sie, die Künstler, von Staats wegen, am ehesten dafür zu 
gewinnen ? 
Begeisterung und neuer Gemeinschaftsglaube sind wohl die 
innerlichen Voraussetzungen, den Künstler für die Mitarbeit am 
neuen Aufbau zu gewinnen. Aber wie jede andere ist auch die 
Produktion des Künstlers an noch andere als ethische Voraus 
setzungen gebunden, nämlich an seine Gewißheit der sozialen An 
erkennung und der daraus sich ergebenden Existenzmöglichkeit. 
Der Sowjet-Staat muß demgemäß handeln: Das alte Vor 
urteil des Künstlers, daß seine Produktion gottgewollt (wenn auch 
verkäuflich), unabhängig (abgesehen von Mode und Händleran 
sprüchen), erlesen und differenziert (wenn auch für die Salons der 
Dickbäuche) sein müsse — daß sie für die oberen gebildeten 
Schichten und nicht für die Plebejer und den kleinen Mann ohne 
Anstand und Verständnis bestimmt sei — und daß sie eine freie 
Entfaltung geistiger Gaben bleiben müsse, die nicht degradiert 
werden dürfe zu tendenziöser und zielstrebiger Mache im Dienste 
utilaristischer Kreise — dies Vorurteil kann nicht von einem zum
	        
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