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verbreitet ist. Auch sie knüpft an beim Erlebensdrang des Lesers
— aber von vornherein mit der Tendenz, diesen Drang zu ver
neinen, aufzuweisen die Sündhaftigkeit der lärmenden Welt, die
Vergänglichkeiten aller Begierden und Berauschtheiten. Es ist so
zusagen die Kunst des moralischen Katzenjammers, der Abkehr von
der großen Welt. Irgendein Himmel dient da sozusagen als er
lösendes Prinzip, ein Gärtchen, ein Weibchen, ein stilles blaues
Bächlein. Oder Wolkenpaläste, vergilbte Briefe, schlichtweißes
Haar. Solche Erzeugnisse sind vor allem auf Frauen, Kinder und
schwache Intelligenzen wirksam; sie werden meist von Pastoren,
älteren Jungfrauen und ähnlich impotenten Figuren hergestellt.
Es gibt auch Klassiker dieses Schlages. So sind z. B. Geibel,
Schwindt, Voß beliebte und hehre Vorbilder. Die ursprüngliche
Basis der darin zum Ausdruck gelangenden Ideologie ist die christ
liche Kirche. Daß diese stark an Macht eingebüßt hat, verhindert
indessen nicht, daß ihre psychologischen Einflüsse auf breite
Schichten heute noch intensiv nachwirken.
Da, wo jene indirekt kirchlichen Produkte aufhören zu wirken,
wo Skepsis am simplen Weltbild des pietistischen Träumers nagt,
da entsteht der geeignete Boden für eine andere, eine mystisch
okkultistische Literatur (deren populärster Vertreter Rudolf Steiner
ist). Auf diesem Gebiete gibt es umfangreiche Spezialliteraturen.
Auch die Kunstgattungen der Malerei und Musik weisen ähnliche
Tendenzen auf, doch schwächere, da in der Regel abstrakt-theore
tische Konfusionen vorherrschen (Gnosis, Kaballa, indische, chine
sische Geheimlehren), die sich auf die absoluteren Künste schwer
übertragen lassen. Der Umfang des Einflusses ist schwer ab
zuschätzen, da den Schichten, die sich damit befassen, die Neigung
zur Abgeschlossenheit und zur Geheimniskrämerei eigen ist. Die
Produktion dieser Art, vor allem das Interesse dafür, ist gewisser
maßen Ausdruck einer sozialen Pathologie, sie wirkt verwirrend
und sektenbildend, zeugt Größenwahn und andere fixe Ideen, zieht
all die Menschen an, deren Intelligenz und Fassungsvermögen zu
gering ist im Verhältnis zu ihrem Wissensdrang, der so zur Be
drückung wird und nach einem Auswege sucht.
Dies ist die Brutstätte aller Dilettanten, Charlatane und Quack
salber, das Eldorado psychologischer Hochstapler. Die Verhält
nisse der letzten Jahre, der allgemeine Drang nach Erlösung hat
die Konjunktur derartiger Kreise und Spekulationen ungemein be
günstigt. Es handelt sich hier natürlich nicht mehr um prole
tarisches Publikum, sondern um exzentrische Bürgerliche aller
Schattierungen, hauptsächlich um Hysteriker und Neurastheniker.
Die Wichtigkeit und die Auswirkungen solcher Erzeugungen
werden von ihren Konsumenten gerne überschätzt — wie es über-