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„Three Soldiers"
Das neue Amerika.*)
Die besten kritischen Aufsätze über John dos Passos’ Buch „Three soldiers“
führen mit Recht aus, daß dieses Buch ein eindringlicher Protest der Jugend
gegen den Krieg ist, und es ist tatsächlich ein großes Lob für die Fähigkeiten
des Autors, daß Amerikaner aller Richtungen, die nur irgendwie einen Haß
gegen den Krieg hegen, sich in der Anerkennung für dieses Werk zusammen
finden. Von diesen Aufsätzen und von Gesprächen über dieses Buch beginnt man
die Lektüre in der Erwartung, ein überzeugendes Argument gegen die Abscheu
lichkeit des Krieges zu finden, eine Geschichte mit der Kraft, der Leidenschaft
lichkeit und scharfen Beobachtungsfähigkeit von Siegfried Sassoons Kriegs
gedichten; und man wird auch nicht enttäuscht. Aber das Buch ist noch sehr
viel mehr. Viele Jahre hindurch haben literarische Stimmen Amerikas nach
wirklichen männlichen Typen im amerikanischen Roman verlangt, und jetzt kommt
ein junger Autor, der das Leben bis ins Mark fühlt und malt echte Typen in
universeller Wahrheit; und die Besprechungen sagen uns, daß es ein großes Buch
des Protestes ist und daß diese Typen „Produkte des Krieges“ sind.
Im Grunde jedoch sind diese Typen durchaus nicht „Produkte des Krieges“,
obschon die drei Soldaten sich deutlich wie schwarze Silhouetten von seinem
grauen Hintergründe abheben. Dos Passos hätte sie schaffen können, auch wenn
die amerikanischen Großverdiener nicht in den Krieg eingetreten wären. Er
hätte seine drei Männer auch aus anderen mehr amerikanischen Hintergründen
wie aus einer Wahlkampagne, einer Lynchliga, einem Stahlstreik oder einer Zu
sammenkunft der amerikanischen Legion, hervortreten lassen können. Der Autor
mußte nur eine große und geschlossene Gemeinschaft gestalten, etwas was der
ungeheueren reichen Wüste amerikanischen Lebens am meisten fehlt.
Da diese Nachkriegsperiode natürlicherweise eine Zeit überströmender Senti
mentalität und falscher Frömmigkeit ist, kann man leicht verstehen, daß unsere
Literatur-Intellektuellen gehirnschwach wurden, als unter der Maschinerie des
Krieges Fuselli und Chrisfield zerdrückt werden. Der Autor hat sie gezeichnet,
wie sie sind, und mit großer Sympathie; doch diese zwei würden in jeder an
dern Staatsmaschinerie, deren Energie sich organisiert hat zu dem Zwecke, Geld
im allergrößten Maßstabe zu verdienen, ohne Rücksicht auf irgendein individuelles
oder soziales Menschheitsideal, genau dieselben sein. Wer je gegen den Granit
block unseres industriellen Lebens aufgestanden ist, kennt Fuselli, den Einge
wanderten, der offenbar seine Arbeitsgenossen nicht verraten und anschwärzen
will, aber doch bei jeder Gelegenheit versucht, einen Vorteil für sich auf ihre
Kosten durchzusetzen. Und jedermann sollte Chrisfield, der ganz klar als der
am meisten zusammengesetzte Typ der amerikanischen Zivilisation erscheint, aus
Indiana wiedererkennen. Ein kräftiger, auch sentimentaler Mann, unecht wie ein
Affe, der unter keinen Bedingungen seinen Verstand gebrauchen will und alles
feiner Organisierte im Leben: Freundschaft, Frauen, Pflicht, mit der Hand der
Brutalität anpackt. In ihm ist das neue, kriegskräftige Amerika verkörpert, das
auf allen kulturellen Werten des Lebens herumtrampelt, überall, wo es hin
kommt, auf den Westindischen Inseln, den Philippinen, in Europa und im Osten,
*) Dieser Aufsatz ist der Zeitschrift „Liberator“ entnommen.