Volltext: Der Ararat (1 (1920), 7)

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schäften rühmen, ja sogar von Popularisierung 
und Monumentalisierung träumen. Eine scharfe 
Opposition gegen den „bürgerlichen" Express 
sionismus ist für die Anfänge der proletarischen 
Kunstbezeichnend,sodaßdieBehauptungRjepins, 
der Proletarier habe „die unsinnigen sklavischen 
Bemühungen des Kubismus vom jungen Künstler 
leihweise erhalten", auf einem Irrtum beruht. 
Der aussichtslose Eklektizismus und das Dilet- 
% 
tantentum der Proletkulte wurde im Laufe der 
Zeit immer anschaulicher, so daß sogar im Juli 
1919 ein Vorschlag der Regierung erging, der 
autonomen Existenz des Proletkults ein Ende 
zu machen und ihn in der gesamten Aufklärungs 
arbeit zusammenzuschmelzen*. 
Die proletarische Kunst. 
<Aus einem Brief J. Rjepins.) 
Bis zur Hymne hat sie sich nidit erhoben. 
Man begnügte sich mit der Marseillaise, zog 
singend herum, ja man fühlte sogar, daß unsere 
„Soldatiki" dieses unsterbliche Aufleben des 
blutsverwandten Volkes mitgerissen hatte. Vom 
Schauplatz der Ereignisse entfernt, sah ich nicht 
den Triumph der bolschewistischen Experimente 
lch kenne nicht die proletarische Kunst,- was man 
so nennt, hat sich nie mit der Volksseele ver 
einigt, ja ist nicht einmal mit dem Bolschewismus 
zusammengeflossen, hat diese Bewegung nicht 
inspirieren können,- und wenn auch der Prole- 
tarier den Kubisten und Futuristen ihre sinn 
losen, sklavischen Wehen entliehen hat, so waren 
diese unpersönlichen Kritzeleien nie von irgend 
welchen Ideen erleuchtet gewesen, und es scheint 
mir, daß sie für immer nur ein müßiger Kram 
von Taugenichtsen, der auch nicht eine Spur von 
Leben in sich trägt, bleiben werden. 
Die Dekadenz sollte man mit dem allgemeinen 
Kunstanarchismus nicht verwechseln. Sie ist eine 
unwillkürliche Erscheinung, eine Folge der krank 
haften Übermüdung der Sachverständigen, die 
* Bibliographie: A. Bogdanow: , Die Kunst und das 
Proletariat" (übersetzt: Kentaur«Verlag, Leipzig 1919), 
S. Salewsky: „Die proletarische Kunst", Moskau 1919. — 
Zeitschriften <Moskau=Petersburg 1917/19): „Die Schmiede« 
esse", „Das Kommende", Die proletarische Kultur" u. 
m. a. Vgl. auch „Aktion" Nr. 45/46: „Kunst im roten 
Moskau". 
an Großmannsucht und Originalitätshascherei 
erkrankt sind. Der Kubismus ist ihr Kind. 
Der Kubismus hat sich in einer unverschämten 
Weise in Konventionen abgenutzter Farbab- 
Stufungen — des Bräunlichen und des Grün 
lichen — abgesperrt und wiederholt sich bis 
zum Überdruß: immer dieselben Repliken eines 
anonym gebliebenen Urbildes — Quadrate und 
wieder Quadrate von einer unglaublichen Ein- 
förmigkeit, eines unbestreitbaren Idiotismus, 
der besonders dann triumphiert, wenn es dem 
Künstler auf die hinteren Facetten des Kubus 
anzuspielen gelingt. Die vierte Dimension? 
Blödsinn! 
\ 
Ich sah weder die roten Feste, noch die meter 
langen Leinwände, die ganze Häuser und Peters 
burgs Kreuzwege bedeckten: es bleibt mir nur 
zu erraten, wie das war. Leider ist meine Vor 
stellungsgabe verarmt und grob wie immer, — 
sie stellt mir nur abscheuliche Bilder der Bolsche 
wisten vor. Ist es denn möglich, sich auszumalen, 
wie sich der dich gewordene Gänserich, der sich 
von dem Schwarm getrennt hat, zusammen mit 
den dicken Fettschwänzen überfrißt, die auf dem 
Vaterlande sitzen und seinen Saft aussaugen,- 
ist es denn möglich, sich auszumalen, daß dieser 
Räuber, der sich hinter der Schuld der Bourgeoisie 
verstecht hat, endlich wild zu tanzen anfängt und 
seine diche Brieftasche mit falschen Nichtigkeiten 
fest an sich preßt. Kann es Abscheulicheres 
geben, wie wenn dieser Didcwanst eine Träne 
vor Rührung über seine Sattheit verlieren würde. 
Pfui! Ein Ekel! Welche Kunst kann dieser 
Schoß gebären? 
Nein das ist unmöglich, es muß doch eine 
Evolution kommen. Sie wird nicht so bald er 
scheinen. Man könnte aber eine andere Über 
raschung erwarten,- eine Überraschung in ganz 
anderer Art. Öfters hörte ich, daß es im Sowjet 
land Schulen gäbe, wo man sogar die hungrigen 
Kinder füttert, den Aufbau neuer Grundlagen 
lehrt,- da ist es, von wo man das Entstehen der 
proletarischen Kunst erwarten darf. Diese Kinder 
werden ihren Eltern ganz unähnlich sein. Diese 
mageren Kinder werden leidenschaftlich bestürmt 
sein von Ideen, von wirklichen Ideen des Friedens, 
der Liebe und Brüderschaft der Völker. Da
	        
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