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qualitätvolle Fläche, die für ihn aber lediglich
äußere Wohlform für jene Inhaltsschwere des
Wesentlichen der Dinge und Erscheinungen, wie
er sie liebevoll sieht und aufsucht. So wie auch
gute Gedanken sich stets in gepflegter Sprache
äußern werden, um ein Kunstwerk zu sein.
Nämlich qualitätvolles Ab wägen, Ausgleichen
finden wir auch in seinen Zeichnungen, von
visionärer Kraft und schönem linearen Spiel.
Dieses Bedürfnis Klees: die Erscheinung und
ihr Wesen zu bewerten — allein zeigt uns den
deutschen Maler. Seine Bemessung liegt in der
Kraft, die wir hier am W erke finden, mit wun
derbarem Harmonieempfinden und köstlich auf
gewandter Energie dafür zu kämpfen und klärend
zu ordnen.
Aber mir scheint auch ohne diese Werte
lägen allein genug in der oft Renoirhaft schön
bemalten Oberfläche, die Klee'sche Bilder auf«
HAUSENSTEINLEGENDE oder
Hausensteins Anschauungen und Urteile sind
nicht straff linear konturiert, sondern malerisch
verschwommen. <Wie denn überhaupt Hausen«
stein von Meier«Graefe auf das Malerische dres«
siert wurde. O Barock, o Rubens und du, gött«
lieber Renoir!) Nur manchmal — wenn es ihm
allzusehr nach journalistischem Eintagserfolg
gelüstet — läßt ihn seine Vorsicht der Vielleichts
und Immerhins, der offengelassenen Fragen, der
halben Zugeständnisse und Dreiviertelableh«
nungen im Stich, und er spricht »das Negative«
nicht »nur einmal ganz«, sondern auch »mit Aus«
schließlichkeit« aus. Wodurch er sich offensicht«
lieh in Gefahr bringt — auch wenn er sich im
voraus zu salvieren sucht durch treuherziges Zu«
geben »bei früherem Anlaß zu einer positiveren
Abschätzung das Seinige beizutragen nicht ver«
säumt zu haben«. Es soll uns diesmal bei Anlaß
der »Hodlerlegende« die Mühe nicht verdrießen,
den einstmaligen Beiträgen Hausensteins zu
einer positiveren Abschätzung des jüngst sehr
negativ abgeschätzten Hodlers nachzuspüren.
Zwar finden wir, daß sich der Kritiker niemals
einer vorbehaltlosen Anerkennung Hodlers
schuldig gemacht hat, aber nichtsdestoweniger
weisen, um seinen Platz in der Geschichte der
Malerei zu erkennen.
In eins aber bin ich einig mit Herrn Hans
Kaiser — 1 darin nämlich, daß die Kunst von
Niveau stets nur berührt wird von Urteilen
wie Verteidigungen auf gleicher geistiger Ebene.
Daß nur ein gepflegtes Beistimmen, auch ein
Kunstwerk, ihr nützen kann und kein »potz«
tausend«, kein »abscheulich« <wie Herr Kaiser
dieses an Cafehaustischen vernahm). Ich glaube
aber auch nicht, daß einer sie aus ihrer Höhe
zu heben vermag mit seinem Vergleiche der
»Gartenlaube«.
Es wäre nur noch zu sagen, daß neben Rudolf
Kaßners klugen Worten die des Hans Kaiser
über Paul Klee zu finden, mir weder deren Ge«
nuß verdarb —- noch diese die Bedeutung des
»Hohen Ufer« als Blatt von Niveau zu mindern
vermögen.
SPRÜCHE UND WIDERSPRÜCHE
ergibt sich zwischen den früheren positiveren
»Abschätzungen« und der jüngsten ImBausch und
Bogen«Verurteilung eine so krasse Diskrepanz,
daß man an der Identität des Autors zu zweifeln
geneigt wäre. Wie folgende Anthologie aus
Sprüchen und Widersprüchen es beweisen
wird.
1921. »Der Anfang, verhältnismäßig male«
risch und sachlich gestimmt, weist ungefähr auf
eine Welt hin, deren Gestirne Courbet und
Leibi heißen. Man findet einige schöne An«
sätze —- kaum mehr. Es fehlt alle künstlerische
Üppigkeit; jenes Stück Rubens, jenes Stück Ba«
rock, das keiner runden Leistung gänzlich man«
gelt. Im ganzen bleibt eine Dürre, die beengt.
Immerhin: von der anfänglichen Einstellung, die
man etwa als malerisch gefaßten Naturalismus
mit einem unsentimentalen Einschlag von Genre
bezeichnen könnte, hätte die Entwicklung weiter«
gehen sollen Mögen auch die Ansätze
nichts weniger als außerordentlich sein, und mag^
es auch fraglich bleiben, ob eine gerade Ent«
Wicklung von ihnen aus je zu Ungemeinem ge«
führt haben würde.«