Volltext: Zweiter Jahrgang (2(1921))

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BÜCHER 
Paul Klee Katze mit Vogel <Aquarell> 
Idee, sa naissance, sa vie, sa mort. 85 images dessinees 
et gravees sur bois par Frans Masereel. Editions Ollen» 
dorf, Paris 1920. 
Masereel hat die »histoire sans paroles« in Holzschnitten 
neubelebt, anknüpfend an eine sehr ferne Vergangenheit 
der Graphik, der der Typus der biblia pauperum zugehört. 
Ja, was Masereel bezwedct, ist wahrlich eine biblia pau 
perum, allerdings eine für Menschen des 20. Jahrhunderts. 
Formal und inhaltlich sind seine Holzschnitterzählungen 
organisch der Gegenwart verbunden. Was sein Formales 
betrifft: es scheint nicht wie bei den meisten <um nicht zu 
sagen allen) Künstlern des 20. Jahrhunderts die Trophäe 
eines erbitterten Zweikampfes zwischen Individuum und 
Zeit zu sein, sondern ein von der Zeit empfangenes Ge 
schenk,- so wenig stellt sich hier der Gedanke an ein den 
Künstler im Atem haltendes Formproblem ein. Damit 
im Zusammenhang mag auch die stilistische Gleichmäßig 
keit der Schwarz-Weiß-Aufteilungen Masereels stehen,- 
dieser Künstler interessiert sich nicht für formalistische 
Experimente. Die Herrschaft über die Technik und die 
Fruchtbarkeit seiner bildepischen Phantasie genügen voll 
auf, um ein geradezu gigantisch dimensioniertes, stofflich 
inhaltlich unerschöpflich wechselndes Werk entstehen zu 
lassen. 
Masereel erzählt einfach, anschaulich, klar, scharf poin 
tierend. Seine Epik kennt nur die unaufhaltsam fort 
schreitende Handlung. Ein Bild geht in das andere über 
mit kinematographischer Schnelle, und doch ist jedes Bild 
ein in sich geschlossener Organismus. Aber um endlich 
das Wichtigste zu sagen: man nehme Masereel nicht von 
der ästhetischen Seite <man kann es natürlich tun), sondern 
man betrachte seine zu Erzählungen verknüpften Blätter 
wie die Bilderbogen, die uns im Kindesalter erfreut haben. 
L. Z. 
Orbis pictus <Weltkunst-Bücherei, herausgegeben von 
Paul Westheim). Ernst Wasmuth, Berlin 1920. 
Die gegenwärtige Verlagstätigkeit in Deutschland 
scheint im Zeichen eines neuen Alexandrinismus zu stehen. 
Der Kunst- und Kulturboden aller Zeiten und Völker 
wird eifrigst nach noch unbehobenen Schätzen durchwühlt/ 
daß dabei Exkursionen nach Asien überwiegen, erklärt 
sich zwanglos aus der ganzen seelisch-geistigen Konstel 
lation der Zeit mit ihren mystisch-religiösen Sehnsüchten, 
ihrem betonten Irrationalismus, ihrem künstlerischen Im 
materialismus. 
Ein Verlagsunternehmen wie die Sammlung »Orbis 
pictus« entspricht nur dem Gebot der Stunde. Hier wird 
der geglückte Versuch zu einer volkstümlichen, wohlfeilen 
Enzyklopädie »der Kunst aller Völker und Zeiten« unter 
nommen. Jeder Band enthält eine knappe sachliche Ein 
leitung zu den 48 <oft ausgezeichnete) Reproduktionen 
umfassenden Bilderteil. Bisher sind erschienen: »Indische 
Baukunst« (Paul Westheim), »Altrussische Kunst« (Fan- 
nina Halle), »Archaische Plastik der Griechen« (GrafUx- 
kull) und »Die chinesische Landschaft« <A. Salmony). 
Auf die auch textlich bedeutsamste Publikation der Serie — 
den Band »Altrussische Kunst« von Fannina Halle, einer 
Russin, die ihre wissenschaftliche Ausbildung der »Wiener 
Schule« verdankt —, sei mit besonderem Nachdruck ver 
wiesen. 
Herman Sörgel: Architektur-Ästhetik. Eine 
Architektur-Ästhetik nennt Herman Sörgel ein Buch, dem 
er den bescheidenen Untertitel »Prolegomena zu einer 
Theorie der Baukunst« gegeben hat. Sörgel hält mehr, 
als er verspricht,- er gibt in der Tat eine, wenn auch ge 
drängte, so doch umfassende Darlegung einer baukünst 
lerischen Ästhetik. Im ersten, historischen Teile setzt er 
sich mit dem Vorhandenen auseinander und gibt so eine 
bequeme Übersicht, die den großen Vorzug hat, interessant 
zu lesen zu sein. Schöpferisch wird Sörgel erst im zweiten 
Teile, den er den theoretisch-methodischen nennt. Hier 
weist er der Raumerkenntnis einen neuen Weg, der bei 
der Architektur zu ganz anderen Ergebnissen führt, als 
bei der rein plastischen Kunst. Teils im Gegensatz und 
teils im Weiterbau der Hildebrandsdien Theorie erblickt 
er das Wesen des baukünstlerischen Problems in der kon 
kaven körperlichen Erscheinung und führt diesen Gedanken 
auch für die Außenarchitektur in konsequenter Weise 
durch. Lernen wir den Verfasser bei diesen erkenntnis 
theoretischen Fragen zunächst als klaren Denker kennen, 
so tritt er uns endlich im dritten Teile als fein empfinden 
der Künstler entgegen. In diesem »praktisch-angewandten« 
Teile zieht er die Nutzanwendungen aus den und jenen
	        
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