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das alle Kunstarten zusammenfaßt zur künstlerischen Einheit. Zunächst habe ich einzelne Kunst*
arten miteinander vermählt. Idh habe Gedichte aus Worten und Sätzen so zusammengeklebt, daß
die Anordnung rhythmisch eine Zeichnung ergibt. Ich habe umgekehrt Bilder und Zeichnungen
geklebt, auf denen Sätze gelesen werden sollen. Ich habe Bilder so genagelt, daß neben der
malerischen Bildwirkung eine plastische Reliefwirkung entsteht. Dieses geschah, um die Grenzen
der Kunstarten zu verwischen. Das Merzgesamtkunstwerk aber ist die Merzbühne, die ich bislang
nur theoretisch durcharbeiten konnte. Die erste Veröffentlichung darüber erfolgte in der Sturm*
bühne, achte Folge: »Die Merzbühne dient zur Aufführung des Merzbühnenwerkes. Das Merz*
bühnenwerk ist ein abstraktes Kunstwerk. Das Drama und die Oper entstehen in der Regel aus
der Form des geschriebenen Textes, der an sich schon, ohne die Bühne, als geschriebener Text
ein abgerundetes Werk ist. Bühnen*
bild, Musik und Aufführung dienen
nur zur Illustration dieses Textes,
der selbst schon eine Illustration der
Handlung ist. Im Gegensatz zum
Drama oder zur Oper sind sämt*
liehe Teile des Merzbühnenwerkes
untrennbar mit einander verbunden,-
es kann nicht geschrieben, gelesen
oder gehört, es kann nur im Theater
erlebt werden. Bislang unterschied
man zwischen Bühnenbild, Text und
Partitur bei den Vorführungen im
Theater. Man bearbeitete jeden
Faktor einzeln und konnte ihn auch
einzeln genießen. Die Merzbühne
kennt nur die Verschmelzung aller
Faktoren zum Gesamtwerk. Mate*
rialien für das Bühnenbild sind sämt*
liehe feste, flüssige und luftförmige
Körper, wie weiße Wand, Mensch,
Drahtverhau, Wasserstrahl, blaue
Ferne, Lichtkegel. Man verwende Frans Masereel »Aber der wahre Gott antwortet: Friede auf
Flächen, die sich verdichten, oder in Erden und den Menschen ein Wohlgefallen«
Gewebe auflösen können, Flächen, Aus »Politische Zeichnungen« Erich Reiß, Berlin
die sich vorhangartig falten, sich verkleinern oder erweitern können. Man lasse Dinge sich
drehen und bewegen und lasse Linien sich zu Flächen erweitern. Man schiebe Teile in das
Bühnenbild hinein und nehme Teile heraus. Materialien für die Partitur sind sämtliche Töne und
Geräusche, die durch Violine, Trommel, Posaune, Nähmaschine, Ticktackuhr, Wasserstrahl usw.
gebildet werden können. Materialien für die Dichtung sind sämtliche den Verstand und das
Gefühl erregende Erlebnisse. Die Materialien sind nicht logisch in ihren gegenständlichen
Beziehungen, sondern nur innerhalb der Logik des Kunstwerkes zu verwenden. Je intensiver
das Kunstwerk die verstandesmäßig gegenständliche Logik zerstört, um so größer ist die
Möglichkeit künstlerischen Aufbauens. Wie man bei der Dichtung Wort gegen Wort wertet,
so werte man hier Faktor gegen Faktor, Material gegen Material. Man kann sich das
Bühnenbild etwa in der Art eines Merzbildes vorstellen. Die Teile des Bildes bewegen und
verändern sich, und das Bild lebt sich aus. Die Bewegung des Bildes vollzieht sich stumm,