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oder begleitet von Geräuschen oder Musik. Ich fordere die Merzbühne. Wo ist die Experi
mentierbühne?
Man setze riesenhafte Flächen, erfasse sie bis zur gedachten Unendlichkeit, bemäntele sie mit
Farbe, verschiebe sie drohend und zerwölbe ihre glatte Schamigkeit. Man zerknicke und turbuliere
endliche Teile und krümme löchernde Teile des Nichts unendlich zusammen. Glättende Flächen
überkleben. Man drahte Linien Bewegung, wirkliche Bewegung steigt wirkliches Tau eines Drahte
geflechtes. Flammende Linien, schleichende Linien, flächende Linien überquert. Man lasse Linien
miteinander kämpfen und sich streicheln in schenkender Zärtlichkeit. Punkte sollen daz wischensternen,
sich reigen, und einander verwirklichen zur Linie. Man biege die Linien, knacke und zerknicke
Ecken würgend wirbelt um einen Punkt. In Wellen wirbelnden Sturmes rausche vorbei eine Linie,
greifbar aus Draht. Man kugele
Kugeln wirbelnd Luft berühren sich.
Einander durchdringend zereinen
Flächen. Kisten kanten empor, ge
rade und schief und bemalt. In sich
Klappzylinder versinken erdrosselt
Kisten Kasten. Man setze Linien
ziehend zeichnen ein Netz lasu*
rierend. Netze umfassen verengen
Qual des Antonius. Man lasse
Netze brandenwogen und zerfließen
in Linien, dichten in Flächen. Netzen
dieNetze. Man lasseSchleier wehen,
weiche Falten fallen, man lasse Watte
tropfen und Wasser sprühen. Luft
bäume man weich und weiß durch
tausendkerzigeBogenlampen. Dann
nehme man Räder und Achsen,
bäume sie auf und lasse sie singen
<Wasserriesenüberständer>. Achsen
" tanzen mitterad rollen Kugeln Faß.
Zahnräder wittern Zähne, finden
eine Nähmaschine, welche gähnt.
Empordrehend oder geduckt die
Nähmaschine köpft sich selbst, die
Füße zu oben. Man nehme Zahnarztbohrmaschine, Fleischhackmaschine, Ritzenkratzer von
der Straßenbahn, Omnibusse und Automobile, Fahrräder, Tandems und deren Bereifung, auch
Kriegsersatzreifen und deformiere sie. Man nehme Lichte und deformiere sie in brutalster
Weise. Lokomotiven lasse man gegeneinander fahren, Gardinen und Portieren lasse man Spinn
webfaden mit Fensterrahmen tanzen und zerbreche winselndes Glas. Dampfkessel bringe man
zur Fxplosion zur Erzeugung von Eisenbahnqualm. Man nehme Unterröcke und andere ähnliche
Sachen, Schuhe und falsche Haare, auch Schlittschuhe und werfe sie an die richtige Stelle, wohin
sie gehören, und zwar immer zur richtigen Zeit. Man nehme meinetwegen auch Fußangeln,
Selbstschüsse, Höllenmaschinen, den Blechfisch und den Trichter, natürlich alles in künstlerisch
deformiertem Zustande. Schläuche sind sehr zu empfehlen. Man nehme kurz alles vom Haarnetz
der vornehmen Dame bis zur Schraube des Imperator, jedesmal entsprechend den Größen^--
verhältnissen, die das Werk verlangt.
Frans Masereel »Man darf sich nichts daraus machen«
Aus »Politische Zeichnungen« Erich Reiß, Berlin