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Menschen selbst können auch verwendet werden.
Menschen selbst können auf Kulissen gebunden werden.
Menschen selbst können auch aktiv auftreten, sogar in ihrer alltäglichen Lage, zweibeinig sprechen,
sogar in vernünftigen Sätzen.
Nun beginne man die Materialien miteinander zu vermählen. Man verheirate z. B. die Wachse
tuchdecke mit der Heimstättenaktiengesellschaft:, den Lampenputzer bringe man in ein Verhältnis
zu der Ehe zwischen Anna Blume und dem Kammerton a. Die Kugel gebe man der Fläche zum
Fraß und eine rissige Ecke lasse man vernichten durch 22tausenkerzigen Bogenlampenschein. Man
lasse den Menschen auf den Händen gehen und auf seinen Füßen einen Hut tragen, wie Anna
Blume. <Katarakte.) Schaum wird gespritzt.
Und nun beginnt die Glut musikalischer Durchtränkung. Orgeln hinter der Bühne singen und
sagen: »Fütt, Fütt«. Die Nähmaschine rattert voran. Ein Mensch in der einen Kulisse sagt:
»Bah«. Ein anderer tritt plötzlich auf und sagt: »Ich bin dumm». <Nachdruck verboten.) Kniet
umgekehrt ein Geistlicher dazwischen und ruft und betet laut: »O Gnade wimmelt zerstaunen
Halleluja Junge, Junge vermählt tropfen Wasser«. Eine Wasserleitung tröpfelt ungehemmt eintönig.
Acht.
Pauken und Flöten blitzen Tod, und eine Straßenbahnschaffnerspfeife leuchtet hell. Dem Mann
auf der einen Kulisse läuft ein Strahl eiskaltes Wasser über den Rücken in einen Topf. Er singt
dazu cis d, dis es, das ganze Arbeiterlied. Unter dem Topfe hat man eine Gasflamme angezündet,
um das Wasser zu kochen, und eine Melodie von Violinen schimmert rein und mädchenzart. Ein
Schleier überbreitet Breiten. Tief dunkelrot kocht die Mitte Glut. Es raschelt leise. Anschwellen
lange Seufzer Geigen und verhauchen. Licht dunkelt Bühne, auch die Nähmaschine ist dunkel.«
Inzwischen erweckte diese Veröffentlichung das Interesse des Schauspielers und Theaterdirektors
Franz Rolan, der verwandte Ideen hatte, nämlich das Theater vom Dichter unabhängig zu machen
und die Vorstellungen aus dem vorhandenen Material des Theaters: Bühne, Kulissen, Farbe,
Licht, Schauspieler, Regisseur, Maler undPulikum zu künstlerischer Form hervorwachsenzu lassen.
Wir haben nun zusammen die Idee der Merzbühne in Bezug auf ihre praktischen Möglichkeiten
gründlich durchgearbeitet, zunächst theoretisch. Es ist ein umfangreiches Manuskript geworden
und in kurzer Zeit druckreif. Vielleicht werden wir später auch einmal Gelegenheit haben, das
Merzgesamtkunstwerk erstehen zu sehen. Schaffen können wir es nicht, denn auch wir würden
nur Teile, und zwar Material sein. Kurt Schwitters.
Ich möchte nun noch einige unveröffentlichte Gedichte folgen lassen:
HERBST 09o9J
Es schweigt eher Wafd in Weh.
Er muß gedufdig feiden,
Daß nun sein hie her Bräutigam,
Der Sommer, wird scheiden.
Noch häht er zärtfich ihn im Arm
Und quäfet sich mit Schmerzen.
Du fitagtest, Liebchen, wenn ich schied.
Ruht ich noch dir am Herzen.
Gedicht Nr. 48
Wanten.
Regenwurm.
Tische.
Uhren.
Die Kuh.
Der Wafd hfüttert die Bfätter.
Ein Tropfen Asphaft in den Schnee.
Cry, cry, cry, cry, cry.
Ein weiser Mann pfatzt ohne Gage.