Volltext: Zweiter Jahrgang (2(1921))

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ästhetischer Mystizismus im Anschluß an Poe, gelegentlich 
verbunden mit Satanismus, Welteinfluß des französischen 
Ästhetizismus. Besonders starke Auswirkung in England: 
Walter Pater und Oskar Wilde. Deutschland: Stefan 
George und sein Kreis, Hugo von Hoffmansthal. 
Diese schlagwortartigen Andeutungen sollen eine Vor 
stellung von Aufbau und Ideengehalt der ausgezeichneten, 
ungemein klar geschriebenen Studie Bries geben. 
L.Z. 
DAS SCHÖNE BUCH 
Trans Maserest: Mein Stundenhuch (Kurt 
Wo fff* Vertag München). 
Jean Pauf: Die wunderbare Geseffschafi in 
der Neujahrsnacht CPichard Weis hach, 
Heide fhergj. 
Max Sfevogt: Afte Märchen (Propyfäen- 
Vertag, BerfinJ. 
Peter Cornefius: Die Nihefungen CDietrich 
Reimer, BerfinJ. 
Unter den Schöpfungen des menschlichen Geistes bringt 
das Buch dank seiner differenzierten Beziehungen zu den 
breiteren Schichten des Volkes schon in seiner äußeren 
Gestalt die Weltanschauung des Einzelnen, der Nation 
und einer Zeit am vollkommensten zum Ausdruck. Als 
Quelle metaphysischer Erkenntnisse ist die Erscheinungs 
form des Buches heute indes noch mehr gefühlt als wissen 
schaftlich ausgewertet und ihre Beurteilung bleibt mehr 
dem Geschmack des Bibliophilen überlassen als einer Ästhe 
tik, die vor allem historischen Festlegungen entspringen 
müßte. 
Durch mehr oder weniger enge Beziehungen zur großen 
Malerei ist besonders das illustrierte Buch historischen und 
ästhetischen Betrachtungen zugänglich und hat in Einzel 
untersuchungen, die sich in Deutschland allerdings auf die 
beiden großen Blütezeiten der Buchillustration, die Jahr 
zehnte vor und nach 1500 und die Zeit von Chodowiecki 
bis Menzel beschränken, am meisten Berücksichtigung ge 
funden. Trotz des Mangels einer zusammenfassenden ge 
schichtlichen Darstellung liegt die Entwicklung der deut 
schen Buchillustration in ihrer Bedingtheit durch die Werke 
der Malerei und der relativ großen Zugänglichkeit des 
Materials wenigstens in den Hauptlinien auch heute schon 
klar zutage. Blüte und Verfall des illustrierten Buches 
finden in gewissen Tendenzen formaler und geistiger Natur 
der allgemeinen Kunstentwicklung, die infolge der be 
schränkten Ausdrucksmöglichkeiten der Illustration fördernd 
oder hemmend eingriffen, genügende Deutung, wenn auch 
daneben die im Verhältnis zu andern Ländern wenig 
günstigen Schicksale des deutschen Volkes in die Entwick 
lung einer, dem allgemeinen wirtschaftlichen, politischen 
und kulturellen Zuständen enger verwachsenen Materie, 
wie sie das Buch darstellt, mehr Einwirkung nehmen 
mußten, als in die der großen Kunst. 
Selten waren die Umstände wirtschaftlicher und künst 
lerischer Natur einer Blüte der Buchillustration günstiger 
als in der Zeit um 1500 in Deutschland. Künstler von 
Rang wie Dürer, Altdorfer, Holbein, Beham u. a. ver 
schmähten es nicht, der Illustration ihre liebevollste Auf 
merksamkeit zuzuwenden und brachten im Verein mit der 
besonders in Süddeutschland, in Nürnberg, Straßburg, 
Mainz und Ulm gepflegten handwerklichen Tradition das 
deutsche Buch weit in Frankreich, Italien und Spanien zu 
Ehren. 
Die malerischen Entwicklungstendenzen in der Kunst 
seit Dürer sind der Entwicklung der graphischen Künste 
mit Ausnahme der Radierung wenig förderlich gewesen. 
Die Entwertung der Linie zugunsten des Farbfleckes, der 
den neuen Erkenntnissen von der formauflösenden Wir 
kung des Lichtes entsprach, verminderte das Interesse der 
großen Meister für den Kupferstich und vor allem für den 
Holzschnitt, dessen impressionistische Möglichkeiten in 
Deutschland erst Menzel wieder erkannt hat. Neben der 
Erscheinungsform spielte die Wiedergabe des Wissens um 
die Dinge, die Wesensform keine Rolle mehr, die Be 
deutung des Inhalts, die Freude am Detail versinkt gegen 
über neuen Erkenntnissen vom Ausdruckswert des Lichtes 
und der Bewegung, die im Barock zu einheitlichen, sym 
phonischen Wirkungen zusammengefaßt werden. So be 
gannen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts die Quellen, 
die der Buchillustration zur Zeit der großen Meister um 
Dürer und Holbein so reichlich zugeströmt waren, immer 
mehr zu versiegen. Es gelang den mittelmäßigen und 
schlechten Illustratoren jener Zeit in Deutschland nicht, 
immerhin vorhandene Möglichkeiten, die ihnen auch eine 
malerische Richtung in der großen Kunst gab, auszunutzen. 
Der Holzschnitt verschwindet und damit geht auch die ein 
heitliche harmonische Wirkung von Satz und Bild, die uns 
bei den Meistern des 15. und 16. Jahrhunderts so sehr 
entzückt, in der Folgezeit verloren, und nur die fest ge 
fügte, auf die alten süddeutschen Offizinen zurückgehende 
handwerkliche Tradition hemmt den vollständigen Verfall 
der Buchkunst, ohne jedoch verhindern zu können, daß die 
führende Rolle an England, Holland und Frankreich 
überging. 
Die Wertsteigerung der Linie im Rokoko, und der 
wiedererwachende Sinn für das körperlich Wesenhafte in 
der Zopfzeit brachten die zeichnenden Künste und damit 
auch die Buchillustration zu neuem Aufschwung. Aller 
dings ist die Rolle Deutschlands nicht mehr die führende 
wie am Ausgang des Mittelalters. Vor allem der Mangel 
einer ununterbrochenen Tradition in der deutschen Kunst 
begründet den starken Einfluß Frankreichs und Englands, 
von dem .sich Deutschland erst in der Romantik (Corne 
lius, Rethel, Richter, Schwind) befreien kann.
	        
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