Volltext: Zweiter Jahrgang (2(1921))

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DIE NEUE KUNST UND DIE DEUTSCHEN STÄDTE 
Eine Rundfrage (Fortsetzung) 
KARLSRUHE 
Es würde leidit fallen, mit bissigen Worten den rückständigen und zähen Geist zu geißeln, der 
seit Jahren in allen Kunstangelegenheiten zu Karlsruhe herrscht. Fruchtbarer aber wird es sein, 
den Ursachen dieser Verhältnisse nachzugehen. Man kann den ständigen Rückschritt verfolgen an 
dem Niedergang der Akademie, der bald nach ihrer Gründung durch Schirmer begann. Mit der 
Ablehnung Feuerbachs war der abschüssige Weg endgültig beschritten und selbst Thoma und 
Trübner, beide von der Akademie mehr geduldet als fruchtbar gemacht, vermochten nichts gegen 
diesen vorbildlich negativen akademischen Geist,- an Stelle eines fruchtbaren Schülerkreises ent 
wickelte sich typisch verkalktes Epigonentum. Von den anderen Kunstanstalten verfiel die wichtigste, 
die Kunsthalle, die Sammel- und Brennpunkt der lebendigen Kunst hätte sein sollen, immer mehr 
einem beruhigenden Winterschlaf,- die Schätze verfielen, und günstige Gelegenheiten zu wichtigen 
Erweiterungen wurden durch die Laune eines Fürsten verpaßt, der — um nur ein Beispiel zu 
nennen — eine früher leicht zu schaffende, lückenlose Veranschaulichung von Trübners »Werk« 
verhinderte, nur weil er Trübners Malweise nicht »schön« fand. Ober das Theater vollends, das 
vor Jahren unter Devrient und später unter Mottl eine Glanzzeit von europäischer Bedeutung 
erlebt hatte, will ich schweigen,- es genügt eine vor kurzem erlassene Kundgebung der Intendanz 
mitzuteilen, die mit aller wünschenswerter Deutlichkeit die Kriterien dieser Anstalt resümiert: »die 
Werke unsres jüngsten Dichtergeschlechtes — der Hasenclever, Pulver, Johst, von Unruh, Toller, 
Rubiner, Kokoschka, Goering und wie sie heißen — haben sich bei ruhiger Prüfung als ausnahms= 
los allzu chaotisch glühend,- als gar zu ,absurder Most' erwiesen, als daß die Intendanz die Ver* 
antwortung für den unvermeidlichen Mißerfolg einer solchen Aufführung tragen und mit dem 
Verlust an Zeit, Geld, Arbeitskraft: einer anspruchsvollen Einstudierung bezahlen könnte«. 
Dies ist die typische Einstellung der jungen Kunst gegenüber,- absurder Most — es ist gefährlich 
ihn zu trinken, es ist schon gefährlich ihn nur anzubieten. Deshalb verhinderte man, wie man nur 
konnte, in mißtrauischer Selbstgefälligkeit Ausstellungen der neuen Kunst, und wenn man sie nicht 
umgehen konnte^ <weil doch auch das Nachhinken gefährlich ist!) — zog man sie schleunigst ins 
Lächerliche unter dem einmütigen Beifall der selbstsicheren und tapferen Bürgersleute, die allein 
wissen, was »gute Kunst« sei. Die Ausstellungen des Kunstvereins rochen meist verdächtig nach 
den Bedürfnissen engherziger Kleinbürger, die »moderne Galerie Moos« mußte sich notgedrungen 
immer mehr der Gesinnung der Stadt anpassen, und nur in dem einsamen Atelier des russischen 
Malers Zabotin sammelte sich ein kleiner Kreis nunmehr größtenteils ausgewanderter wirklich 
junger Künstler. Aber von hier drohte der gut bürgerlichen Kunst erst recht Gefahr — dies war 
ein Russe und seine Freunde sahen entsetzlich revolutionär aus! 
Man kann das Wachsen solcher Kunstgesinnung und ihre Quellen verfolgen,- sie liegen im 
genius loci dieser Stadt mit dem verdächtig schläfrigen Namen: Beschränktheit mit allen ihren 
schwarzen Folgen, Kleinlichkeit, Gedrücktheit, alles Eigenschaften begünstigt von einem wenig 
straffen, oft lähmend feuchten Klima,- der letzte Fürst war die Inkarnation. 
Dies Alles zu wissen ist wertvoll zur Beurteilung der Veränderungen, die als Frucht der staat 
lichen Umwälzungen sich in den letzten Monaten vollzogen haben. Um es sogleich zu sagen: es 
lebt der neue Geist und in einigen tatsächlichen Leistungen hat er bereits Gestalt angenommen. 
Zunächst hat der Staat, wenn auch unter Vermeidung durchgreifender Maßnahmen und dadurch 
etwas zaghaft an der Kunstschule <die durch Zusammenlegung der Akademie und Kunstgewerbe 
schule in größerem Rahmen entstanden ist), Wiederbelebungsversuche angestellt durch neue Be 
rufungen aus dem Kreis der jungen Kunst: Künstlern wie Babberger, Wolf, Haueisen, Gerstel,
	        
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