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jungen Holländern, die wir vor kurzem in denselben
Räumen sahen, mehr eigenes Gepräge, mehr Mut zur
Selbständigkeit, sind aber keineswegs vom Epigonentum
freizusprechen. Das Schwanken zwischen gewundenem
Stil und formstrenger Primitivität, die Kultur der reinen
Farbe, die Auflösung der Wirklichkeit in geometrische
Formen, das Schwelgen in Abstraktionen, das Zurück-
fallenindie sonst peinlich vermiedene Konvention: es fehlt
nichts, was sich im bunten Teppich der modernen Kunst
kreuzt und verknüpft.
Als Führer der Gruppe gilt Carlo Carrä, ein starker
Kolorist, der sich aus dem Futurismus herausgewunden
hat, aber das Primitive allzu absichtlich betont. Er ist fast
hilflos in seiner Einseitigkeit und grotesken Verbissenheit,
die er hoffentlich einmal überwindet, um mit den ihm ge
gebenen Mitteln etwas ganz anderes zu erreichen. Gei
stiger gibt sich de Chirico, der langsam von der grotesken
Gliederpuppe in menschliche Atmosphären zurückgefunden
hat. Ein seltsamer Übergang. Chirico, durchaus fähig,
den Raum farbig zu gestalten, hätte sich die geometrischen
Mätzchen, die er sehr ernsthaft »metaphysisch« nennt,
sparen können,- denn notwendig waren sie für seine Ent
wicklung kaum. Er weiß auch ohne gezirkelte Gewalt
samkeit zu fesseln/ seine letzten Bildnisse, die leise an
Meister der Frührenaissance erinnern, sind von einer
ruhigen abgeklärten Bestimmtheit. Sie reichen in der Farbe
allerdings nicht an die Bilder der »metaphysischen« Periode
heran. Giorgio Morandi ist vielleicht einer der inter
essantesten Köpfe der Gruppe,- seine auf bestimmte Töne
<grau, rosa) eingestellten Landschaften erscheinen, trotz
dieser Abstraktion, impressionistisch. Aber bei einfachsten
Gegenständen, Zylindern, Kegeln und anderen geome
trischen Figuren, bringt es Morandi zu klangvollen Farben
symphonien,- von seinen Stilleben, die ähnlich geschaffen
sind, geht ein geheimnisvoller Reiz aus,- denn Farbe und
Form sind hier mit der Delikatesse des wissenden, nicht
einseitig begabten Schönheitssuchers behandelt. Aus der
Stadt des heiligen Franziskus stammt der ganz autodi
daktisch gebildete Ricardo Francalancia. Er ist noch
gegenstandstreu, versenkt sich mit Inbrunst in die um-
brische Landschaft, erschaut sein göttliches Assisi wie das
Paradies. Eine eigenartige Begabung, die glücklicherweise
auf keine Richtung eingeschworen ist. Komplizierter ist
die Baltin Zur-Mühlen, die seit mehr als zehn Jahren in
Italien lebt und nicht zufällig in die Gruppe hineinge
kommen ist. Eine begeisterte Künderin südlicher Land
schaft, anfangs impressionistisch, doch mit gutem Raum
gefühl, geschmackvoll und zielsicher in der Farbe, dann,
neueingestellt, wie nach einem großen inneren Erlebnis:
Betonung der Linie und zarte, fast schüchterne Heraus
arbeitung des Charakteristischen. Das kecke Drauflos
stürmen ist der beschaulichen Andacht gewichen. Der
Bildhauer Martini zeigt einige Plastiken, die sehr für seine
Begabung und sein Wollen sprechen. In dem herben Bildnis
seiner Mutter zeigt sich das am florentinisdhen Ideal ge
schulte Können,- bei dem Jünglingskopf sucht der Künstler
von der Tradition loszukommen und sein eigenes plasti
sches Sehnen zu verwirklichen. Die Jungfrau von Or
leans ist ganz auf Spannung des Nerv hin gearbeitet. Sonst
ist Martini, im Gegensatz zu seinen malenden Gruppen
genossen, kein Mann des Experiments, sondern ein Pla
stiker, der fest in der Vergangenheit wurzelt, sich aber den
Kopf für eigene Ideen frisch gehalten hat.
Hugo Kubsch. <Deutsche Tageszeitung 8. IV. 21.)
DADA VOR GERICHT
Der Architekt, Schriftsteller und Führer der Dadaisten,
Johannes Baader, der sich »Oberdada« nennt, hatte sich vor
der Strafkammer des Landgerichts II unter Vorsitz des
Landgerichtsrats Oertel wegen Beleidigung der Angehö
rigen der Reichswehr zu verantworten. Mit ihm der Kunst
händler Dr. Otto Burchard, der Kunstmaler George Groß,
der Schriftsteller Herzfelde und der Kunstmaler Rudolf
Schlichter.
Im Juli und August hatten die »Dadaisten« im Hause
Lützowufer 13 eine Ausstellung unter dem Titel »Erste
Internationale Dadamesse« veranstaltet. Auf dieser waren
auch folgendes zu sehen: An der Decke des Ausstellungs
raumes hing ein ausgestopfter feldgrauer Soldat mit Offi
ziersachselstücken und der Maske eines Schweinekopfes
unter der Feldmütze. An der Wand stand ein aus schwar
zem Leinen ausgestopfter Frauenrumpf ohne Arme und
Beine, an dessen Brust waren ein verrostetes Messer und
eine verbrochene Gabel angenäht. An der einen Schulter
auch eine elektrische Klingel, auf der anderen ein Spiritus
kocher. Am Hinterteil des Frauenkörpers befand sich ein
Eisernes Kreuz. Ferner lag eine Mappe »Gott mit uns«
aus, die Karikaturen von Militärs enthielt. Diese Mappe
war im Malik-Verlag erschienen, dessen Inhaber der
der Angeklagte Herzfelde ist, während die Bilder vom
Angeklagten Groß stammen. Zu der schwebenden Puppe
in der Ausstellung war folgende Anmerkung gegeben:
Um dieses Kunstwerk zu begreifen, exerziere man täglich
zwölf Stunden mit vollgepacktem Affen und feldmarsch
mäßig ausgerüstet auf dem Tempelhofer Feld.
Bei Beginn der Sitzung erklärte der Oberdada Baader,
der Dadaismus habe es sich zur Aufgabe gemacht, kulturell
schädlichen Sedimentbildungen entgegenzuwirken. Dies
geschehe am besten durch den Humor, denn dieser fehle
uns Deutschen am meisten.
Der Zeuge Hauptmann Matthäi, der die Ausstellung
besucht hat, hat den Eindruck gewonnen, daß die Aus
stellung eine systematische Hetze gegen die Offiziere und
Mannschaften des Heeres darstellte, Die Zeichnungen von
George Groß in den Mappen enthielten nach seiner Über
zeugung beinahe auf jedem Blatt in der Darstellung von
Majoren, Offizieren und Unteroffizieren so infame und
verabscheuungswürdige Verunglimpfungen, wie er sie noch
nicht gesehen habe. Auf jedem Blatt standen drei Inschriften
in deutscher, englischer und französischer Sprache,- zwei
Ausländer, die mit ihm zugleich die Blätter
besichtigten, hätten sich über die ganze Sache
sehr gefreut. Die Angeklagten Groß und Herzfelde