Volltext: Zweiter Jahrgang (2(1921))

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Neue Kunst betreffenden Ankäufe auf Rechnung der Münchener. München exportiert Neue 
Kunst nach den Rheinlanden, nach dem Norden und ins neutrale Ausland. Ein namhafter Sammler 
Neuer Kunst etwa im Stile von der Heydts, Ida Biernerts, Kirchhoffs, Köhlers usw. lebt nicht in 
München. 
Während in anderen deutschen Städten, z.B. in Mannheim, in Dresden, in Karlsruhe, in Berlin usf., 
die Leiter der öffentlichen Kunstsammlungen sich die Hauptwerke Neuer Kunst zu sichern suchen, 
läßt man in Münchner Musealkreisen jede Gelegenheit zu solchen Erwerbungen geflissentlich 
vorübergehen. Was in der Staatsgalerie an Bildern Neuer Kunst zusammenkam, ist größtenteils 
Schenkungsgut. Daß diese bayerische Staatsgalerie es noch nicht der Mühe wert gefunden hat, ein 
Gemälde des Bayern Franz Marc <von dem selbstverständlich im Berliner Kronprinzenpalais schon 
mehr als ein Werk hängt) anzukaufen, muß uns wahrlich gegen die herrschenden Zustände be 
denklich stimmen. 
Ich habe früher einmal bei Erörterung des gleichen Themas den Ruf nach einer starken Persön 
lichkeit vom Wüchse Tschudis, Lichtwarks oder Wicherts laut werden lassen. Heute glaube ich 
nicht mehr an den heilsamen Einfluß einer solchen Persönlichkeit. Es ist das Schicksal Münchens, 
geistige und künstlerische Potenzen magnetisch anzuziehen, und sich um ihr Werk und Wesen dann 
nicht zu bekümmern. L. Zahn. 
STUTTGART 
Die Stuttgarter Traditionen werden tief zerwühlt. Die einstigen großen Anreger rücken zur 
Seite oder geraten in ein Experimentierstadium, das bisweilen an Marasmus grenzt. Hierher 
gehört Adolf Hölzel, ein von Historikern reichlich abgenutzter Name <weniger von der Kunst), 
der anläßlich der zweiten Herbstschau Neuer Kunst 1920, Dinge, Spielereien, Farbenakrobatik 
zeigte, Gebilde von einer Nichtigkeit, denen jede künstlerische Synthese abgeht <zum Dadaismus 
scheinen Professoren zu feige zu sein), die über die Schablone hinauswollen, aber von einem ver* 
kehrten Intellektualismus strotzen, in ein geistloses Mischen und Kombinieren verfallen. Dies 
mußte registriert werden, weil in manchen Kreisen mit dem Namen Hölzel eine allzu rührige 
Propaganda betrieben wird, die schon ein bischen posthum riecht. Heinrich Altherr, ein merk* 
würdiges Zwischenglied, bleibt bei einem ehrlicheren Marschrhythmus, kommt aber als Ferment 
für die Jugend, die ihre eigene Wachheit erkämpft, ebenfalls nicht mehr in Betracht. Hervorsteigende 
Erlebnisse waren Itten, Eberz und Brühlmann. Stenner und Stemmler Stichflammen, die der Sturm 
Tod zerrissen hat Was nun heute wichtig ist, stark zu betonen: die augenblickliche 
künstlerische Situation, in der Üechtgruppe auskristalisiert, entsprang nicht erkünstelter Literaten* 
absicht, von Geschäftstüchtigen nicht gesäugt, sie ist Sammelbecken reinster Kunstgesinnung, 
Bekenntnis, geheime Formel. Mag an anderen Orten Deutschlands kaltblütig frech, scholastisch 
schlau manche Entdeckung gemacht worden sein und ihren findigen Sprecher in irgendeinem 
Empörerskribenten aufgegriffen haben, hier in Schwaben, wo man sich nur an dem Wohlgefallen 
von Bildchen und Indianerstreichen labte, waren die Künstler immer auf sich selbst angewiesen. 
Die Erregung ging nicht weiter. Sie blieben isoliert, die Deutung wagte niemand. Qualitativ auf 
der Höhe: Berlin, München, Rheinland,- ohne aber dort Anleihen gemacht zu haben. Im Gegenteil, 
sie leben in Distanz und kultivieren ihre Eigenprägung deutlichst heraus. Diese ernste Selbst* 
besinnung im formalen Ausdruck, wie im Erlebnis, im Erkennbaren, wie im Vorwärtsdrängen 
neuer innerer Anschauungen berührt sympathisch und stellt die Üecht*Kunst in die erste Reihe 
heutiger Arbeit schlechthin. Deutscher Problemwille und französische Malkultur, in fühlbarer 
vielleicht ungewohnter Zusammenschweißung, mit allen Indiskretionen der Sensation und den 
seltsamen Hintergründen letzter Bewußtheit haben hier ein Resultat gezeitigt, in dem die meta* 
physische Gewalt schwingt und eine gewisse Form*Sehnsuchtsskeptik sich nicht ohne weiteres
	        
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