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zu erwarten sich erkühnt <wer erlöst uns Europäer aus dem
Zwange der »Natur®Gesetzlichkeiten« ? wer ??), — und so
dehnt sich im unklaren Gewucher der afrikanischen Phantastik
die Welterklärung einfach weiter: aus der Made wird die Ei®
dechse, die Schlange, wird das Krokodil. Und auch sonst
durchtränkt sich alles Tierische mit irgendwelcher mystischen
und magischen Bedeutsamkeit. Wenigstens in der früheren
Ursprünglichkeit urtümlicher Auffassung und Erlebnisart.
Denn heute eifern islamitische und christliche Missionare um
die Wette gegen solch Heidentum, und leider, leider sind ihre
transzendenten Götter vermöge des Branntweins und des
Warenhauses etwas mächtiger als die Fetischpriester und die
Ahnengeister der Neger. Und mit den guten, alten Göttlich
keiten (wenn man so sagen darf) geht nun auch ihr Reflex in
der menschlichen Kunstwelt, geht diese selbst zu Grunde.
Automatisch verwischt sich das Gedächtnis, ja schon die ab®
strakte Erinnerung an die Deutung der tierischen Gestalten,
die als Ornamente oder als plastischer Zierrat die täglichen
Gebrauchsgegenstände schmücken. Und nur die europäische
Bewußtheit noch ersetzt sich selbstständig das ursprüngliche Gefühl: in den Schlangen, den
Affen, den Vögeln, den Büffeln, den Spinnen und den anderen Tieren, — in ihnen allen lebte
dereinst für den einheimischen Handwerker ein wirkungsfähiges, ein kraftvolles Seelentum,- ja, es
wohnte nicht nur in ihnen, sondern sie selbst
waren es in ihrer körperhaften Wirklichkeit.
Ganz und gar beziehungslos zur zeitgenössi
schen Verkündung des »reinen Geistes «schaute
der Neger im Bilde des Ahnherrn dessen wirk®
liehe, eigentlichste Realität vor sich. ‘Und trug
im Maskentanz ein Neger eine Büffelmaske, so
war er im eigentlichsten Sinne eben der Geist,
der in der Maske wohnen sollte und der viel®
mehr diese Maske selber war.
II.
Unter den großen afrikanischen Kunstgebieten,
die mit den Namen Kongo, Niger, Kamerun,
kurz bezeichnet sind, ist das nördlicheAfrika
sozusagen das Tierparadies in der Kunstdar®
Stellung. Das riesige Territorium des Kongo®
Staates scheint viel weniger produktiv an künst®
lerischen Tiergestaltungen. Nur da und dort
erheben sich etwa Antilopen auf Tanzmasken
und auch die Eidechse streckt sich hier (wie sonst
überall in Afrika) ornamental auf Deckeln von
Kästchen aus. Aber im allgemeinen ist das
Tierreich sehr wenig vertreten,- zarte mensch®
liehe Körper oder rein abstrakte Ornamente
bestimmen die Vorstellungswelt.
Hölzerner Palauerstuhl aus dem Kameruner Grasland
<Bammu>
Museum'für Völkerkunde, Leipzig
Holzschnitzerei: »Affe«
Museum für Völkerkunde, Leipzig