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O, Kokosdika Gemälde 1920 <Slg. Lanyi, Wien)
<Mit Genehmigung von Paul Cassirer, Berlin)
darin, daß er da war als Weckruf, Anspruch, Rätsel, als potenzierte Lebensform,- atembefreiend,
bluterregend, lebenspendend wie Gustav Klimt, der Einsame von St. Veit, wie Karl Kraus, der
Eremit an Kaffeehaustischen, wie jeder jener instinktiv erkannten Rasse übergeordneter Naturen,
deren Wert darin besteht, daß sie sind. Ihr Werk ist wie ein Maskenkleid um ihr Wesen, für
dessen Wirkung das Unmittelbare der Berührung oder der Berührbarkeit entscheidende Wichtigkeit
besitzt,- nicht nur das Dasein, sondern das Dasein! Es ist auffallend, wie stark aus einem unver-
tilgbaren Zugehörigkeitsgefühl das Werk Kokoschkas auch heute noch junge Künstler Wiens be=
einflußt,- die Ausstellungen des Nachwuchses spiegeln alle Phasen seiner fernen Arbeit, durch
gelegentliche Verbindung oder durch Abbildungen vermittelt, wieder. Die äußerlichen Zusammen
hänge ohne die innere Verbindung — das Bedenkliche dieses Zustandes ist ohne weiteres ersichtlich.
Im letzten Jahre hat Kokoschka mehrere Monate in Wien verbracht,- wird sich vielleicht der
Faden wieder anspinnen, der ganz abgerissen schien? Empfindet auch der Künstler die Zuge
hörigkeit zu einem Boden, weil dieser ihn mehr braucht, als der Künstler ihn oder weil der mütter=
liehe Grund seine geheime Kraft niemals ganz verliert? In gewissem Sinne ist er zurückgekehrt
und hat hier mehrere Werke geschaffen, die das Maß der Entfernung besonders deutlich zeigen,-
die Dresdner Jahre haben Kokoschka von seinen Wiener Anfängen weit weg geführt.
Die Neueinstellung des Künstlers beginnt noch in Wien, allerdings im Augenblick des Scheidens,-
der »irrende Ritter« von 1916 <Abb. bei Westheim) mag den Einschnitt in seiner Entwicklung