dem Urvater Manu offenbarte Gesetz, das Gesetz des religiös^politischen Imperialismus der
Rasse. Unter der Inspiration ihrer Priester eroberten und kolonisierten die arischen Stämme das
Dekan, Ceylon, die hinterindischen Küsten bis nach Kambodscha und Tschampa und die Insel
Java, überall die Religion ihres Nationalgottes ausbreitend,• ihr Handelsgebiet erstreckte sich von
China bis nach Alexandria. Und der höchsten Bewunderung wert ist es, daß dieser Priesterstand
trotz aller abstrusen und abgeschmackten Spekulationen über das Wesen seines Gottes und des
Opferkultes, die Klarheit und Schärfe des Blickes für die politischen Realitäten bewahrte. Viele
Jahrhunderte lang stritten die Stammeskönigreiche erfolglos um die Aufrichtung eines die Stämme
zur Nation einigenden Prinzipates, denn die großen Reiche von Hastinapura und Ayodhya der
beiden Nationalepen sind Schöpfungen der Sage. Erst Chandragupta, der Begründer der Maurya-
dynastie, schuf nach dem Rückzuge Alexanders des Großen, von seinem Minister Canakya, dem
brahmanischen Richelieu, beraten, ein bis zum Vindhyagebirge reichendes indisches Kaiserreich
mit der Hauptstadt Pataliputra.
Nie ist ein Inder der aktiven brahmanischen Nationalreligion und damit der ganzen indischen
Gesellschaft verhängnisvoller geworden als Siddharta Gautama, der sich den messianischen Namen
des Buddha, des Erweckten, des Illuminaten, beilegte. Er leugnete die Erlösung von der Wieder^
gebürt durch die aktive Frömmigkeit des brahmanischen Gesetzes und erklärte sie als ausschließlich
bedingt durch die von ihm gelehrte passive Versenkung, den magischen Tiefschlaf des Nirwana.
Das ist die heilige Wahrheit von der Aufhebung des Leidens durch die hypnotische Aufhebung
des Selbstbewußtseins mit Hilfe einer neuen Joga-Praxis, deren Abgründe sich ihm unter dem
Boddhibaume auftaten. Gautama ist die üppigste Verfallsblüte des indischen Lebens, das sich zu
seiner Zeit religiös und staatlich in fortschreitender Zersetzung befand. Sein Werk ist nicht
Revolution, sondern nihilistische Zerstörung des indischen Willens durch eine entnervende Mit
leidslehre, welche besonders in der nördlichen Schule bis zu den albernsten Konsequenzen ent
wickelt wurde. Die passive Frömmigkeit des Buddhismus ist mit dem Fluche der Sterilität
geschlagen. Das Wertvolle in der Schriftensammlung der südlichen Buddhisten ist brahmanisches
Lehngut, denn der Buddhismus hat stets parasitär vom Brahmanismus gelebt, dessen Entwicklung
er nachahmend folgte, um nicht zu verkümmern. Die deuterokanonischen Sutras der nördlichen
Schule aber sind somnambule Delirien einer sich hemmungslos austobenden drawidisierten Ein^
bildungskraft. Wer von der großartigen Literatur der Brahmanen kommt, ist empört über das
endlose Wiederkauen derselben dürftigen Gedanken durch schläfrige Bonzen. Man fühlt in diesen
Schriften die für alle Verfallszeiten so charakteristische Verbindung von blasierten und frondie-
renden decadants der oberen Stände mit den nach Ruhe lechzenden Arbeitstieren der unteren, die
sich in Indien aus der dunkelhäutigen drawidischen Rasse und den Mischrassen zusammensetzten.
Passive Naturen ihrem Blute nach mußten sie in dem Propheten der mystischen Trägheit ihren
Erlöser erblicken und den Verkünder des neuen Gesetzes der Passivität, des dhamma, in einer
ihn schließlich vergötternden Buddhologie als Gegengott gegen Brahma und sein Gesetz der
Aktivität, das dharma, aufstellen. Sie fühlten sich unwiderstehlich von dem apokalyptischen
Zukunftsparadies einer im dämmernden Halbschlaf dahinvegetierenden Herde angezogen. Die
sozialen Gegensätze waren in Buddhas Orden aufgehoben: der Mönch aus der Schudrakaste übte
die hypnotische Versenkung neben den abtrünnigen Brahmanen. Und gerade die letzteren wurden
die Lehrer und Dialektiker der neuen passiven Religion,- ohne brahmanische Intelligenz wäre die
Bewegung infolge ihrer geistigen Armut bald versandet.
Aber von den einzelnen Apostaten abgesehen, blieb der Stand seiner Aufgabe als Hüter der
religiös-politischen Weisheit und Erfahrung des indischen Volkes getreu. Er bekämpfte die ein=
reißende soziale Anarchie der Stände und die Eheflucht der Jugend, welche die Kette der Familien
generationen zerriß, während Manus Gesetz erst dem Großvater, der den Sohn seines Sohnes
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