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Glossen und Notizen
Die Verleumdung des Apelles. Man kann vor
dem Krieg der unbedingteste Freund der Franzosen ge»
wesen sein. Und sofort <da letzter Pulverdampf ent»
schwand) ist man es wieder, sitzt schon in Paris, läßt sich
rechts und links einladen, als wäre einfach nichts gewesen.
<Herr Otto Grautoff schreibt in »Kunst und Künstler«,
Heft 2, über seine unlängstigen Pariser Eindrücke.)
Man hat ihn also empfangen? Trotzdem besagter Herr
Grautoff — ? Pst! Reden wir nicht davon! Man liest in
Frankreich seine Bücher noch weniger als in Deutschland.
Und sie sollen es nie, nie, nie erfahren. (Genug schon,
daß »unser großes Leid der Gegenwart ihn bedrückt«.)
G. Kars »Mädchenporträt mit grüner Haarschleife« (Gern.)
Aber da ist noch ein anderer Punkt Kommt einer als
erster nach Paris (da letzter Pulverdampf entschwand) —
gut so. Auch den Kaffee bei Matisse und dieses Auf»
die»Schulter»Geklopftwerden wollen wir ihm gönnen. Wir
(als simple Zurückgebliebene, durstend nach Nachricht
und neuer Verbrüderung) — wir stellen nur diese eine,
bescheidene, unauffällige Bitte — : daß derjenige, der aus
der ersten Fahrt nach Paris den ersten publizistischen Be»
rieht in einer führenden Kunstzeitschrift veröffentlicht, dies
mit ebensoviel Gewissenhaftigkeit als Verantwortung tue.
Es sei kein beliebiger Zeitungsartikel, nie und nimmer.
Sondern ein Grundstock zu neuem Bau.
Monsieur Grautoff, man kann verschiedener Ansicht
über Picasso sein. Niemand wird Ihnen, wenn Sie aus
diesen oder jenen Gründen sein Gegner sind, das Recht
hierzu benehmen. Wenn man aber Matisse, Bourdelle,
Derain, Maillol sozusagen auf die Bude rückt, ihnen
stundenlang Gespräche vom Munde abschreibt, ihre
Ateliers durchstöbert und endlich hymnisch über sie be»
richtet, — dann geht es nicht gut an, Picasso nicht nur
nicht aufzusuchen, sondern nur dasjenige über ihn zu be
richten, das der ihm schlecht gesinnte Matisse zu erzählen
weiß. (Bei Kaffee und Zigarette gleichsam.) Ob man es
glaubt oder nicht — : es gibt Verantwortungsgefühl in der
Publizistik, selbst wenn man über Franzosen schreibt,
Monsieur. Warum fanden Sie nicht, da Sie Zeit genug
für schwärmerische Spaziergänge samt zugehörigen Re»
flexionen und für Erdrücktwerden vom großen Leid der
Gegenwart hatten, — ich frage, warum fanden Sie diesen
halben freien Tag nicht, um auch Picasso zu besuchen,
der — wäre es auch mit tötlicher Sicherheit Bluff — doch
sicherlich amüsant über Matisse zu erzählen weiß? Nichts
hätte uns mehr interessiert als diese objektive Darstellung.
Wäre nicht auch sie von unabsehbarem, historischem In»
teresse gewesen? (Wer weiß, vielleicht malt Matisse für
Leonce Rosenberg ganz normal und für Paul Rosenberg
mit den Händen in den Hosentaschen?)
Oder sollten Sie an dem versäumten Besuch keine Schuld
tragen? Sollte Picasso nicht zu sprechen gewesen sein?
Sollte er von Ihnen eine Kleinigkeit gelesen haben (so
zwischen 1914—1919), die ihm nicht unbedingt gefiel?
Der sanfte Innocenz.
Erledigung. Herr Willibald Nagel, Herausgabe»
Professor der »Neuen« Musikzeitung, hat einen Match
mit den Futuristen riskiert. Kraft seines germanischen
Akademie» »Künstler« tums und eingedenk seiner Auf»
gäbe, das deutsche Gemüt vor Devirgination zu schützen,
fühlte er die Verpflichtung zu einer Großtat, die hier
beleuchtet sei.
Klar ist, daß der Nagel, den auf den Kopf zu treffen
ich gewillt bin, sich in seinem Elaborat eines Stils bedient.
Typisch, daß dieser Stil sich nach Möglichkeit dem bei
künstlerisch (und politisch) rechts stehenden Skribenten so
beliebten Unteroffiziersjargon zu assimilieren sucht, das
eins der innigsten und liebsamsten Signale des deutschen
Gemüts darstellt. So sei meinen Herzlichkeiten die Liste
des nagelistischen Unflats vorausgeschickt. Hier ist sie:
»Hansnarren,-blödes Gestammel,- spekulative Artisten»
fexerei,- schrullig lächerliches Schaffen,- alberne und großen»
wahnsinnige Kundgebungen,- Modetorheit,- Fratze neben
Fratze,- Irrlehren,- Freibrief für blutigsten Dilettantismus,-
Geschmiere,- Futurismus ist Spekulation mit unlauteren
Mitteln,- Dissonanzen in sinnloser Häufung,- chaotischer
Wirrwarr,- nur pathologisch zu bewertende Auswüchse,-
entarteteVorstellungswelt,-spielwütigeSpekulationssucht.«
Enfin! Das sind Argumente, deren logischer Überzeu»
gungskraft und Tiefe sich gewiß kein Leser zu entziehen