Volltext: Die weissen Blätter (3(1916),1)

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ÜBeocfor Däußfer ■ SimuBtanität 
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eine himmelhohe Sphäre entrückt. Nur zufällig bist du, Heiligtum, 
bei uns zu Gast. Kölner Gletscher, bist du aus einer Region kri* 
stallener Vollkommenheit zu den Menschen emporgeflogen? 
Wenigstens um zwanzig Jahre zu spät: was soll heute noch eine 
Jeremiade über die Gründerjahre! Wir werden wieder aus der Not 
eine Tugend zu machen wissen, ich mußte daher eine Gründerjahr* 
einlekung schreiben! Denn in dieser grauenhaften Epoche liegt die 
künftige Simultanität unseres Stilempfmdens eingewurzelt. 
Den Beweis, daß man auch historisierend Gutes leisten kann, er* 
brachten, außer dem Dombaumeister Schmidt, noch Hansen und 
Semper. Wie steht's mit einer Klitterung, Verschmelzung eklektisch 
wiederbelebter Stile durch großstadtmäßige Zusammenfassung? Auch 
das geht! Siccardburgs und van der Nüll haben Wien in seiner 
Oper gelungene Gemeinschaft der Stile beschert, Garniers Pariser 
Opernhaus ist gleichfalls sehr präsentabel. Die Wohlbeleibtheit von 
Pollaerts Justizpalast in Brüssel läßt auf eine Schwangerschaft hoffen. 
Calderinis Justizpalast in Rom ist nicht so hoffnungslos, wie man 
Vielleicht zuerst denkt. Schade, freilich, daß er die Engelsburg drückt 
und die Wirkung der römischen Hügel schmälert. Hier kann aber 
vor allem Messel nicht übergangen werden: in dieser Gesellschaft 
ist er sicherlich der Hervorragendste, Wo knüpft er an? Bei portu* 
giesischer Gotik? Beim Flamenstil? Oft scheint er Streifzüge durchs 
Barock zu unternehmen, dann setzt er sich etwas abseits vom Empire 
fest, schließlich aber versteht er Langhansens Klassizismus, Und darin 
liegt seine vorbereitende Arbeit, Auch in der naturalistisch eklekti* 
sehen Mailänder Bildhauerei, zumal beim Fürsten Trubetzkoj, finden 
wir, so schlecht sie auch noch bleibt, bereits Ansätze zu einem Stil 
der Simultanität: da fällt einem auf einmal das Erhaschen fremd* 
artigster, grundverschiedener Konnexmöglichkeiten auf,- irgendeiner 
verkraust impressionistische Steinlaune mit gotischem Hierarchie* 
gefühl, Oder renaissancehafte Ausgewogenheit einer Hausabsicht be* 
fenstert sich geschickt kleinerkerig maurisch. 
An der Unmöglichkeit, einen Stil gewaltsam zu gebären, zweifelt 
wohl niemand mehr. Van der Velde selbst ist viel zu sehr Künstler, 
um das nicht als erster einzusehen. Leider ist er nicht ganz frei von 
Schuld an den gekrümmten Häusern in Belgien und Frankreich, Bei
	        
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