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Doch würde man das Bild Dürers in dieser Zeit verfälschen,. wollte 
man ihn auf solche und :ähnliche Blätter festlegen. Das entscheideride 
Werk dieser ersten Meister-Zeit ist schon im Gegenstand höchst un- 
italienisch: es ist die Apokalypse, 15 Blätter zur. Offenbarung des 
Johannes, erschienen 1498 als Buch mit begleitendem Text, ein Titel- 
blatt erst für die 2. Ausgabe 1511 angefügt. Der biblische Text mit 
seinen dunkeln, furchtbaren Weissagungen und Visionen hat die Zeit 
beschäftigt und offenbar auch in Dürer verwandte Seiten berührt, hat 
er doch noch 1525 ein Traumgesicht aufgezeichnet, in dem Wasser: 
ströme vom Himmel fielen „mit einer solchen Geschwindigkeit, Wind 
und Brausen, daß ich also erschrak, do ich erwacht, daß mir all mein 
Leichnam zittret und lang nit recht zu mir selbs kam“. Dürer hat dem 
Text, dessen maßlose, jeder bildlichen Fixierung scheinbar Hohn spre- 
chende Vorstellungen kaum einen Italiener zur Darstellung ver- 
lockten, Blätter von leidenschaftlicher Bildkraft abgewonnen, in der 
Arbeit immer sicherer und bedeutender werdend. Die in Verderben 
bringender Front über die Menschen hin sausenden apokalyptischen 
Reiter sind erst in der Form, die Dürer ihnen gegeben hat, für uns zu 
lebendiger Vorstellung geworden; die grausam belebte Symmetrie der 
Engel, die den dritten Teil der Menschheit erschlagen, bleibt ein 
unvergeßliches Bild. Doch auch die Stille nach dem Sturm ist mit 
heroischer Stärke gegeben, in den Engeln, die die Winde aufhalten, 
oder in der großen Gebärde jenes andern Engels, der dem Johannes 
das neue Jerusalem zeigt. 
So nordländisch-mittelalterlich die von Bewegungsströmen erfüllten 
Blätter den heutigen Betrachter anmuten, so wenig übersieht der 
Kunstphilologe die italienischen Einzelheiten; doch wird es so sein, 
daß Italien in Dürer. die eigenen Kräfte entbunden und ihm gezeigt 
hat, wie ein Mensch auf der Erde steht, wie eine Bewegung groß und 
eindrücklich zu gestalten sei. 
Gleichzeitig mit der Apokalypse und von gleichem Geist erfüllt, ent- 
standen die ersten Blätter der großen Holzschnittpassion. Als Buch 
ist diese, durch Blätter ganz andern Stils unbekümmert ergänzt, erst 
1511 herausgekommen. Im gleichen Jahr erschienen die 37 Blätter der 
kleinen Holzschnittpassion, die mit dem Sündenfall beginnt und zu 
mancher Station des Leidensweges Christi Dürers reifste Formulierung 
enthält. 
Im gleichen Jahr 1511 ist eine weitere Holzschnittfolge Dürers als 
Buch ans Licht getreten, das Marienleben. Der großartige Sturm und 
Drang der Apokalypse ist verrauscht in diesen 1502—1510 entstan- 
denen Blättern. Das liegt schon am Thema, Bilder aus dem Leben
	        
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