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Eigensten gehören, was Dürer gegeben hat: Ritter, Tod und Teufel, der 
Hieronymus im Gehäus und die Melancholie, in denen das technische 
Können und die Beherrschung der Formensprache ganz in den Dienst 
einer höchst persönlichen Aussage gestellt sind. Noch schöner als in 
der Apokalypse ist hier gelungen, das Einmalige und Eigene zu geben, 
das durch die Berührung mit dem Fremden erst entbunden wurde. 
Das blockhafte Dasitzen der Melancholie hätte Dürer ohne Italien so 
nicht ausdrücken können, und doch ist es hier in einer Art verwendet, 
auf die kein Italiener gekommen wäre. In dem eigentümlichen Blitzen 
des Auges aus beschattetem Gesicht und in den Lichtern des Hinter- 
grundes leben die Erscheinungen der Apokalypse in verfeinter, ver- 
innerlichter Form wieder auf, und, was zur Zeit der Apokalypse 
noch fehlte: das Düstere, hat hier als Ausgleich sein helles Gegen- 
stück in dem gleichzeitig, 1514, entstandenen Hieronymus im Gehäus, 
wo ein bis dahin nie so dargestelltes Lichtleben die reinliche Zelle 
des Gelehrten erfüllt. 
Neben die drei berühmten Stiche reihen sich andere, jenes dem Um- 
fang nach kleine Blatt, auf dem zwei Engel das Schweißtuch halten, 
in dessen Christuskopf Wölfflin den Höhepunkt von Dürers Christus- 
darstellungen sieht, oder jene Folge von Aposteln, die in ihrer ein- 
fachen Größe das kleine Kupferstichblatt ins Monumentale erheben, 
Gefährten der vier Apostel auf dem berühmten Bild in München. Da- 
neben jene Eisenradierungen, von denen schon die Rede war. | 
In seinen letzten Jahren — 1520/21 hatte er sich die Augen auf einer 
Reise in die Niederlande noch einmal aufgefrischt — hat Dürer eine 
Reihe von Porträts gestochen, hohe Herren, den Kardinal von Bran- 
denburg, Friedrich den Weisen von Sachsen, den Beschützer Luthers, 
dann den Freund Willibald Pirckheimer, Melanchthon, Erasmus von 
Rotterdam. Dem Sucher nach einem Idealtypus stellte sich die Auf- 
gabe, die einmalige, unverwechselbare Formbildung eines Gesichts 
ohne der Wahrheit zu nahe zu treten, ins Allgemeingültige, Bleibende 
zu erheben. Er hat auch das geleistet, mit einer Einfachheit, hinter der 
nur der genaue Betrachter den Reichtum der souverän behandelten 
Mittel erkennt. 1528 ist Dürer gestorben. 
Rene Wehrli
	        
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