Volltext: Der Zürcher Nelkenmeister

Golddamast noch vorhanden sein mußte, unter dem bräunlich-trüben 
Firnis leuchtendes Rot, Grün und Weiß. Nun stand nur noch das 
Pfingstbild außerhalb des Gesichtskreises. Der ehemalige Entdecker 
versicherte, seinen Käufer nicht nennen zu dürfen. Der Wunsch, alle 
vier Tafeln in Zürich zu vereinigen, wurde aber ebenso lockend wie 
zwingend. 
Am 15. Januar erbat sich das Zürcher Kunsthaus das zweite Mi- 
chaelsbild zur Ansicht und nahm die Unterhandlungen für ein verbind- 
liches Gebot auf; am 4. Februar ging das Gesuch an den Zürcher Stadt- 
präsidenten um Gewährung eines städtischen Beitrages an den vom 
Verkäufer zugestandenen Preis von 22,500 Fr.; am 23. Februar formu- 
lierte der Stadtrat einen Antrag an den Großen Stadtrat auf Ankauf 
des Bildes aus städtischen Mitteln zur Überweisung als Leihgabe an das 
Zürcher Kunsthaus; am 27. Februar wurde vom Großen Stadtrat der 
Ankauf vollzogen. 
Das Dreikönigbild war von Sotheby in London übernommen worden 
und wurde auf den 45. Mai zur Versteigerung ausgekündigt. Ein 
Freund des Kunsthauses hatte sich in entgegenkommender Weise be- 
reit finden lassen, für das Kunsthaus bis zu einem Betrag zu bieten, 
dessen Beibringung durch die Zürcher Kunstgesellschaft oder die Ver- 
einigung Zürcher Kunstfreunde möglich erschien. Er erwarb das Bild 
für weniger als die Hälfte des in Zürich verlangten Preises und ent- 
hob die Leitung des Kunsthauses der Sorge um die Finanzierung durch 
die überraschende Eröffnung, daß die Erben von August Abegg die 
Tafel dem Zürcher Kunsthaus zur Abrundung der Schenkung August 
Abegg vom Jahr 1925 überweisen und daß sie bereit seien. auch die 
Erwerbung des Pfingstbildes für das Zürcher Kunsthaus zu erleichtern. 
Am 25. Mai traf das Dreikönigbild im Kunsthaus eın. 
Das Pfingstbild, das sich den Nachforschungen vorerst entzogen 
hatte, sah der Direktor des Kunsthauses zum erstenmal am Vormittag 
des 6. Mai im Keller der Hamburger Kunsthalle, wo es für den Berliner 
Eigentümer gereinigt und mit Parkett versehen worden war. Der 
Glanz der Farben, die Dichte der Komposition, die Ausdruckskraft der 
Köpfe und Gebärden ließen es den drei übrigen Tafeln des Altars und 
allen sonst bekannten schweizerischen Werken vom Ende des 15. Jahr- 
hunderts überlegen erscheinen. Die Freude war bittersüß. Der Eigen- 
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