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dieser Mann, und Todfeinde begrüßt man mit der tiefsten
Andacht.
Meiner Mutter, die mich oft begleitet, fiel mein Gruß
auf. Sie verbot mir das ersterbende Grüßen, so nannte
sie es. Sie kannte nicht das Erlebnis, das vorausgegan
gen war; wußte ja nicht, warum ich so grüßte. Galt es
nicht, einen Menschen zu versöhnen, einen gewaltigen
Menschen, der seine Lust durchsetzen wollte? Ein unter
Umständen erzwungenes Leben . ..
So will ich nach der andern Seite erzwingen. Habe
keine andere Anschauung, nur meinen Trieb, den ich in
diese eine Richtung zu bändigen habe. Fremden Willen
einmal führen, verführen in die Richtung meines Wil
lens. Die ganze Stadt habe ich zu säubern, das ist meine
schwere Arbeit. Alle Sümpfe durchwaten.
Einmal, wenn ich am tiefsten gesunken sein werde —
hingebend genommen —, in der vollkommensten Hingabe
sagen können: „Glauben Sie an mich?"
Wie sollte man nicht an das glauben können, was man
hinnimmt, was man umarmt, umklammert hält? Glaube
ich doch an jeden Willen, der mich nimmt. Spüre ja je
den Windzug, der mein Gesicht streift. . . Alles will von
mir nehmen, dazu bin ich ausgeliefert. Wenn die Welt
brennen will, falle ich als kleine Feuergarbe in ein Flam
menmeer. Kann nicht anders als mich verbrauchen.
Ist das die Vorherbestimmung? Ich bete mit geschlos
senen Lippen: „Führe mich nicht in Versuchung, sondern
erlöse uns von dem Uebel."
Ich öffne meine Lippen nicht. Ich presie sie aufeinan-