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Läßt Gott mich so allein gehen, weil ich nicht intensiv
genug an ihn denken kann? Oft meine ich so. Aber wenn
ich ihn auch nicht sehe und nicht genug von ihm weiß, so
weiß doch er von mir. Sieht er denn gar nicht, wie ich
hier herumlaufe?
Wißen möchte ich, wo der Schutzengel meiner Kinder
zeit hingegangen ist, weil ich ihn gar nicht mehr an mei
ner Seite spüre. Ach, er wird vor Schreck weggegangen
sein. Der arme, kleine Schutzengel, er wird sich vor mir
gefürchtet haben.
Ein Schutzmann könnte mich so leicht ins Polizeige
wahrsam bringen. Mir träumte einmal, das sei der Stra
ßenmädchenhimmel.
Die Sittenpolizei hat mich noch nicht beobachtet, ob
gleich ich nicht behaupten kann, ich sei ihr gar so sehr aus
dem Wege gegangen. Wenn es mir einmal gelingen soll
te, mich verständlich zu machen und mich zu beweisen, —
vielleicht, so dachte ich schon —, könnte sie freundschaft
lich zu mir stehen und das Beste wollen. Ich kann mein
Unglück wohl legitimieren. Es ist der beste Ausweis, den
ich habe.
Was auf meinen Papieren steht, nämlich, daß ich
Schauspielerin, Fabrikarbeiterin, Photographin usw. bin,
das besagt nicht viel. Auch ist es nicht wichtig, zu wissen,
woher ich gekommen bin. Was hat die geographische La
ge meiner Herkunft, mein Geburtsort, mit meiner Hei
matlosigkeit zu tun? Auch bin ich nicht Schauspielerin
von Beruf, denn ich liebe nicht den falschen Schein, und
mein einziger Beruf ist, das zu erlernen, was ich bin.