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ich dabei genau höre, was gesprochen wird, kann sich 
selbst der König denken. 
Wenn Posa so fanatisch kniet, kann ich es kaum länger 
mit ansehen und ich vergesse das ganze Theater. Wenn 
er aber flehend gar verlangt: „Geben Sie Gedankenfrei 
heit," greife ich ein und sage: „Sie sind absurd." 
Ich weiß ja wohl, ich darf mich nicht hineinmischen, 
aber ich kann nicht anders. Als Schauspieler muß man 
sich sehr beherrschen. Tut man aber wie ich 1>en ganzen 
Tag nichts anderes, so möchte man doch wenigstens am 
Abend ungezügelt tollen. 
Die Großstädter haben keinen Sinn für die Nuancen, 
und für die Jmprovisationslust haben sie kein Organ. Sie 
spielen selbst nicht mit und kein Stück kann sie auch nur 
vorübergehend entflammen. 
Spiele ich vor einfachen Landleuten die „Waise von 
Lowood", so bringen sie mir nach dem ersten Akt einen 
Laib Brot und eine Speckwurst hinter die Bühne. Und 
manchmal in den kleinen Dörfern mußte der Intrigant 
durch die Hintertüre der Garderobe heimlich flüchten, 
er wäre sonst zerrissen worden. Die Kunst ist Leben ge 
worden und hat erreicht, was sie sein soll. 
In der Großstadt habe ich nie erlebt, daß das Publi 
kum vom Geist eines Kunstwerkes so ergriffen war, daß 
die Tat darauf folgte. Klatscht das Publikum, so ist das 
der beste Beweis, daß es kein Kunstverständnis hat. Der 
restlos Ergriffene applaudiert nicht. Dringt die große 
Bewegung ins Blut, die Bewegung, vor der Tat, dann 
ist eine heilige Stille.
	        
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