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Aber sind nicht alle nur oberflächlich betrunken? Denn
im Innersten der Seele, wer möchte da nicht klar und hell
sein?
Mein Gott, wir neigen alle zur Trunkenheit und Un
kenntnis. Und ich darf nicht fragen, ob es mit deinem,
oder meinem Willen geschieht. Wenn du mir die Ungebun
denheit des Willens gegeben hast, so laß mich wenigstens
dieses eine klar erkennen; damit sich mein Wille dem dei
nen unterordne. Denn ich fürchte mich und bin von
Gefahren umstellt. Wie aber kann ich entfliehen? Vor dei
nen klaren Augen liegt die Sünde überall.
Gib allen Trunkenen mit der unauslöschlichen Sehn
sucht nach der Helligkeit im Herzen dein Geleite.
O dieses Chaos, in das ich mich hineinbegeben habe.
Finsternis liegt über der Tiefe überall, als sei die Welt
noch nicht erschaffen. Singe ich denn vorläufig? Ich will
dir zuliebe singen „Wir haben so nichts, und haben auch
so nichts". Wir haben nichts. Laß mich das so lange singen,
bis du alles gibst.
Wenn ich singe „In der Nacht, wenn die Liebe er
wacht", so kann ich nicht anders, als deiner Liebe geden
ken, die nie schläft. Ich kann nicht anders.
Weißt du nichts anderes für mich? Deine Welt ist so
groß. Meine Gedanken an dich vermengen sich mit dem,
was sündig ist. All unser irdisch Sein vermengen wir mit
deiner Gottheit.
O Unfaßbarer, bleibe entfernt, damit wir dich nie be
leidigen. Aber entflamme ewig unsere Sehnsucht, die im
mer deiner hohen Entrücktheit nachstrebt.