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sich deine Zweige. Ich aber bin ein gefallener Engel, und
einmal kam auch ich von Gott. Habe Nachsicht mit mir,
weil ich das Bewußtsein in mir trage, immer in mir her
umtrage. Kennst du das auch? Nein? Laß mich unter dir
stehen.
Laß mich unter deinem Blühen stehen. Unter deiner
Blätterkrone, die dem Himmel näher ist wie ich. Ich stehe
unter dir, im Staubgewand und mit der Sehnsucht im
Herzen. Laß dich umklammern.
Wenn du doch mein Bruder bist, mein Mitgeschöpf von
einem Schöpfer, lieber Baum, — laß mich mit dir spre
chen. Habe Verständnis für mich, denn ich kann mich dir
offenbaren. Du bist so still, du hörst mich an. Es ist lange
her, seitdem es so still um mich war. Nur dein Blühen er
zählt mir, dein einfaches, wunderbares Gedeihen bete ich
an.
Sieh mich, unter dir. Ich seufze hinauf zu deinem Dach.
Ich wage ja nicht, mich in den blauen Himmel zu ver
steigen, denn meine Wege sind alle in der Tiefe. Ich bin
erdgeboren in einer Stadt unter vielen Menschen, und ich
trage die Spuren der bösen Intelligenz an mir.
Ich fürchte mich so sehr vor den Folgen der eitlen Klug
heit. Die Klugheit ist eine schlimme Hirngeburt, eine
Krankheit, die meine Seele zu beflecken droht. Vielleicht ist
meine Seele nur eine ganz kleine armselige Sehnsucht,
aber unauslöschlich. Wie könnte ich verzichten? Ich habe
den brennenden Durst, der noch nie gelöscht wurde. So
dürste ich immer weiter. So steigert sich mein Verlangen
immer höher hinauf.