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Und bin doch in der Tiefe. Ich stehe ja unter dir, lie
ber Baum, ich klage dir. Laß mich dir alles klagen. Wie
danke ich dir, daß du still lauschen kannst. Gott wollte, daß
du nur blühen mögest und gedeihen. Zu seiner und der
Menschen Freude. Das ist dein Wesen und deine Bestim
mung. Du kannst und willst nichts anderes sein, als Baum.
Baum ist Baum.
Ich aber wurde bestimmt, Mensch zu sein. Hier aber
beginnt das Bekenntnis meiner Sünde. Oh, begreife und
erfasse mich, Geliebter, wie ich dich umarme. Ich habe es
noch nicht erreicht: Mensch sein. Und ich stelle einen Men
schen dar. Ach, daß du dir das vorstellen könntest!
Weißt du in deiner Unschuld etwas von Kampf und
schwerem Ringen, das dahin trachtet, zu werden, was man
ist: Mensch?
Wie tief verzaubert wurden wir Menschen, daß wir
ein Leben lang suchen müssen; vielleicht erst im Tode
gebären, was wir im Leben äußerlich zu sein scheinen:
Menschen.
Daß es mir doch gelingen möge, meine Einfachheit zu
finden und zu bewahren: daß ich Mensch sei, innen sowohl
wie außen, bis mein Gesicht der Spiegel meiner Seele
würde. Du aber lehre mich.
Manches scheint mir nur dazu da zu sein, mich aber
gläubisch zu machen. Vielleicht dient auch das Unglück
dazu.