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habe ich mir das nachher gedacht. In der Garderobe saß
sie am langen Schminktisch an meiner linken Seite.
Sie war nicht gut geschminkt. Auch waren ihre Trikots
nicht sauber. Ich bot ihr von meiner Schminke an, aber
sie lehnte dankend ab. Offenbar war sie durch irgend
etwas bewegt. Ich habe ihr meine Schminke sogar auf
drängen wollen, aber sie sagte, sie werde sich morgen welche
kaufen. Das hat sie nicht mehr nötig gehabt.
Die Kollegen erzählen, der Japaner habe sie geliebt und
sie deswegen getötet. Er hatte gar keinen Grund zur Ei
fersucht, denn sie hat gar nicht geliebt, überhaupt nicht.
Das soll sie geäußert haben. Wie hat sie das nur ge
wußt?
Daß man ohne einen Menschen nicht leben zu können
glaubt, ist noch lange keine Liebe. Das muß ich am be
sten wissen, weil ich nicht liebe, denn die Liebe ist ja mei
stens blind. So blind, daß man tötet, was man liebt. Das
sehe ich.
Wir sind im Leichenschauhause gewesen. Das ganze Iu-
dentheater. Es war so kühl dort, wie in einer Gruft. Wir
mußten eine Treppe tief steigen. Es war wohl der Halb
keller. Es ging noch tiefer hinunter. Ganz so tief hat
unsere Kollegin also doch nicht gelegen.
Sie liegt im Halbkeller. L>as heißt, jetzt liegt sie ja nicht
mehr dort, denn ihre Leiche ist in die Anatomie gekom
men. Davon aber weiß ich nichts. Bis zur Anatomie bin
ich nicht gekommen . . .
Im Geiste sehe ich die Tänzerin vor mir auf einer Bahre
liegen im Halbkeller des Leichenschauhauses. Ihre Wohn-