68
ter aus Kentucky mitgebracht. Es gibt keinen Menschen auf
der Welt, der es so wunderbar leise, so verloren und
heimwehkrank singen kann, wie mein Vater es gesungen
hat.
Nun habe ich es an diesem Ort gesungen, preisgege
ben, aber ich konnte ja gar nichts anderes spielen. Ich
kann ja nur diese zwei Lieder ohne Noten spielen. Aber
ich habe es singen müssen:
„Oh my pover Nelly Grey."
Dann stand ich rasch von meinem Platz auf und es wir
belte mir durch den Kopf, daß mein Vater schon lange tot
ist . . . Und da sitzt ein anderer Vater und sein Kind ist
noch so klein. Wenn er es in seiner frühesten Jugend
schon so allein läßt. . . was wird dann werden?
Ich hab' dem Vater doch noch Glück gewünscht zu seinem
Kinde, denn was lebt, muß man leben lassen, weil es lebt.
Wie konnte ich nur so töricht sein, auf das Wohl eines
neugeborenen Menschen nicht trinken zu wollen. Manch
mal kann man auf so seltsame Gedanken kommen.
Mir schien, die Gaste benahmen sich schmutzig zur Pa
tronin. Sie ist schon eine ältere Frau. Ist es denn nicht
eine Blasphemie gegen das Alter, wenn man diese Frau
berührt?
Nettchen sagte, es seien die Stammgäste, die sich einige
Freiheiten erlauben dürften. Was ist das für eine Höf
lichkeit?
Die Patronin verbirgt ihr altes Gesicht unter einer
Puderschicht. Das tut sie doch nur aus Zuvorkommenheit,
das sollte doch respektiert werden, meine ich. Sie hatte