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Versammelt waren bereits sämtliche Damen
von Ruf. Vorne am Künstlertisch, wo sie heute
nicht gerne gesehen war, sass Fräulein Amalie in
braunem Samtkostüm mit Bolerohut, schon iseit halb
acht. Den Zwergpintscher hatte sie auf den hohen
Busen gesetzt. Das gab ihr viel Air. Ihre Beine, elast
ische Sägmehlbeine, baumelten unter den Tisch, und
sie spielte mit einer der Hängrosenranken. Eine Zi
garette rauchte sie. Ihr Verhältnis war Eisenbahner;
heute hatte er Nachtdienst. Brillanten blitzten an ihren
Fingern. Die spitzigen Halbschuhe aus feinstem Rinds
leder reichten nicht ganz auf den Boden. Auch schien
das 1 Strumpfband gerissen: die braunen .Wollstrümpfe
knäulten Sich unter den Waden. Das Hündchen aber
auf seiner exponierten Stelle drehte den knappen Popo
und konnte sich gar nicht genugtun vor Freude, dabei
zusein.
Weiter drüben, auf den besten Mittelplätzen, sassen
der runzliche ,Totenkopf' und seine Schwester. Der
,Totenkopf' war die berufenste Dame\der Fuchsweide.
Allabendlich Gast des Flametti-Ensembles. Weiss ge
schminkt, die Augenhöhlen gerötet, sass ihr Gesicht
auf dem kropfigen Hals. Unruhig schob sie das Hinter
quartier auf dem Stuhl hin mnd her, blickte sich um
nach den eintretenden Gästen, band sich das Strumpf
band fester und schob währenddessen den sechsten
Kuchen zwischen das goldne Gebiss. Sie konnte sich’s
leisten. Die Schwester des ,Totenkopf' hatte das Leder
täschchen über die Stuhllehne gehängt, tupfte die rote
Nase ein wenig mit Puder und Taschentuch, und juckte
sich mit dem linken Fuss an der abgewetzten Innenseite
des rechten Knies.