Volltext: Die Flucht aus der Zeit

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Das Wort und das Bild. 
teres Suchen nach dem spezifischen Rhythmus, nach dem vergrabe 
nen Gesicht dieser Zeit. Nach ihrem Grund und Wesen; nach 
der Möglichkeit ihres Ergriffenseins, ihrer Erweckung. Die Kunst 
ist dazu nur ein Anlaß, eine Methode. 
* 
6. IV. Der Prozeß der Selbstzerrüttung bei Nietzsche. Woher sollten 
Ruhe und Simplizität denn kommen, wenn nicht ein Unterminie 
ren, ein Abbauen und Aufräumen der verquollenen Basis voraus 
ginge? Auch Goethes höflicher, peripathetischer Stil ist nur 
Vordergrund. Dahinter ist alles problematisch und unausgeglichen, 
voller Widersprüche und Disharmonien. Seine Totenmaske verrät 
es. Vom Optimisten ist in diesen Zügen nicht viel zu lesen. Eine 
aufrichtige Forschung dürfte das nicht vertuschen. Der soge 
nannte Furor Teutonicus, der Haß, der Eigensinn, das Besser 
wissen, die triebhafte Schadenfreude und Rachsucht geistigen 
Triumphen gegenüber, das alles sind Folgen einer vielleicht 
rassenhaften, physiologischen Unfähigkeit, oder aber einer Kata 
strophe, die den Kern betroffen hat. Wenn man aber das zuver 
lässige, das spezifische Wesen nicht zu Gesicht bekommt, trotz 
allen Tastens und Suchens, wie soll man es lieben und pflegen 
können? 
* 
Zwei Erbübel haben das deutsche Wesen zugrunde gerichtet: 
ein falscher Freiheitsbegriff und die pietistische Kaserne. Alle 
Begeisterung hat man auf einen frömmelnden Abfall vom Einen, 
alle Bemeisterung auf ein verlogenes Kuschen verwiesen. Die 
ganze Folge der Entwicklungen, der ganze Kulturbegriff wurde 
so allgemach bis in die Wurzel verstört und verkehrt, ein Pal- 
impsest von Entstellungen. Möglich, daß eine Katastrophe dies 
richten kann, indem eine ganze Schicht ihr Prestige und ihren 
Einfluß verliert. Möglich aber auch, daß der Grund unange-
	        
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