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Das Wort und das Bild.
und zum Leben ergibt die Komik. Den Abstand vom Ideal deut
lich zu machen, ohne über das Korrektiv zu verfügen, ist gar
nicht möglich. Eine andere Frage ist, wie weit sich innerhalb
der Person eines solchen Dichters jene Schwankungen ebenfalls
zeigen, von deren Widerspruch sein Werk lebt. Sternheims Ent
deckung ist der schöngeistige Banause, der Snob, der stämmige
Schwärmer, ein Typus von einigem Umfang. Ihn festzustellen und
in den verschiedensten Formen abzuwandeln, dazu bedarf es
eines für die Verstiegenheit und den Überschwang sehr reizbaren
Geschmackes und einer ebenso vielseitigen wie durchdringenden
Beobachtung der Widerstände, denen das normhaft Schöne täg
lich erliegt. Man wird nicht leicht sagen können, dies alles seien
keine ,menschlichen Werte'.
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17. IV. Der Dandysmus ist eine Schule der Paradoxie (und der Para-
doxologie). Heraklit erzählt bewußt Wundergeschichten. Er ist
darum (nach Diog. Laert.) ein Paradoxologe. Die großen Para
doxen Brummei, Baudelaire, Griffith, Wilde, und des letzteren
Pariser Begegnungen:
Lucien de Rupembre (eine Figur Balzacs)
Gerard de Nerval (Leben von Delvan)
Chatterton, Poe, Huysmans, Xavier de Montepin.
Es gibt einen Essay von Wilde, der in dieser Hinsicht sehr auf
schlußreich ist: „Vom Verfall der Lüge“. Ich will einige Sätze
daraus notieren:
,Eine der Hauptursachen, die zur Deutung des sonder
bar trivialen Charakters des größten Teiles unseres heu
tigen Schrifttums angeführt werden können, besteht zwei
fellos im Verfall der Lüge als einer Kunst, einer Wissen
schaft und einer geselligen Unterhaltung.'