Das Wort und das Bild.
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Der Dadaist vertraut mehr der Aufrichtigkeit von Ereignissen
als dem Witz von Personen. Personen sind bei ihm billig zu
haben, die eigne' Person nicht ausgenommen. Er glaubt nicht
mehr an die Erfassung der Dinge aus einem Punkte, und ist
doch noch immer dergestalt von der Verbundenheit aller Wesen,
von der Gesamthaftigkeit überzeugt, daß er bis zur Selbstauf
lösung an den Dissonanzen leidet.
Der Dadaist kämpft gegen die Agonie und den Todestaumel
der Zeit. Abgeneigt jeder klugen Zurückhaltung, pflegt er die
Neugier dessen, der eine belustigte Freude noch an der frag
lichsten Form der Fronde empfindet. Er weiß, daß die Welt
der Systeme in Trümmer ging, und daß die auf Barzahlung
drängende Zeit einen Ramschausverkauf der entgötterten Philo
sophien eröffnet hat. Wo für die Budenbesitzer der Schreck und
das schlechte Gewissen beginnt, da beginnt für den Dadaisten ein
helles Gelächter und eine milde Begütigung.
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Das Bild unterscheidet uns. Im Bilde ergreifen wir. Was immer 13. VI.
es sei — es ist Nacht —, wir halten den Abdruck in Händen.
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Das Wort und das Bild sind eins. Maler und Dichter gehören
zusammen. Christus ist Bild und Wort. Das Wort und das Bild
sind gekreuzigt.
Es gibt eine gnostische Sekte, deren Adepten vom Bilde der
Kindheit Jesu derart benommen waren, daß sie sich quäkend in
eine Wiege legten und von den Frauen sich säugen und wickeln
ließen. Die Dadaisten sind ähnliche Wickelkinder einer neuen
Zeit.
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