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Das Wort und das Bild.
es eine richtige kleine Premiere. Alle waren neugierig. Also ließ
ich mich, da ich als Säule nicht gehen konnte, in der Verfinste
rung auf das Potest tragen und begann langsam und feierlich:
gadji beri bimba
glandridi lauli lonni cadori
gadjama bim beri glassala
glandridi glassala tuffm i zimbrabim
blassa galassasa tuffm i zimbrabim . .
Die Akzente wurden schwerer, der Ausdruck steigerte sich in
der Verschärfung der Konsonanten. Ich merkte sehr bald, daß
meine Ausdrucksmittel, wenn ich ernst bleiben wollte (und das
wollte ich um jeden Preis) dem Pomp meiner Inszenierung nicht
würden gewachsen sein. Im Publikum sah ich Brupbacher, Jel-
moli, Laban, Frau Wiegman. Ich fürchtete eine Blamage und
nahm mich zusammen. Ich hatte jetzt rechts am Notenständer
„Labadas Gesang an die Wolken“ und links die „Elefanten
karawane“ absolviert und wandte mich wieder zur mittleren
Staffelei, fleißig mit den Flügeln schlagend. Die schweren Vokal
reihen und der schleppende Rhythmus der Elefanten hatten mir
eben noch eine letzte Steigerung erlaubt. Wie sollte ich’s aber zu
Ende führen? Da bemerkte ich, daß meine Stimme, der kein
anderer Weg mehr blieb, die uralte Kadenz der priesterlichen
Lamentation annahm, jenen Stil des Meßgesangs, wie er durch
die katholischen Kirchen des Morgen- und Abendlandes weh
klagt.
Ich weiß nicht, was mir diese Musik eingab. Aber ich begann
meine Vokalreihen rezitativartig im Kirchenstile zu singen und
versuchte es, nicht nur ernst zu bleiben, sondern mir auch den
Ernst zu erzwingen. Einen Moment lang schien mir, als tauche
in meiner kubistischen Maske ein bleiches, verstörtes Jungens-
gesicht auf, jenes halb erschrockene, halb neugierige Gesicht