Volltext: Die Flucht aus der Zeit

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Das Wort und das Bild. 
über die Hügel herunter. Jetzt weiß ich doch auch, wohin man 
aus Zürich noch flüchten kann: in den Tessin. 
* 
Emmy findet, die deutsche Sprache sei arm an Vokabeln der 
Zärtlichkeit und Verliebtheit. Die dänische sei darin unendlich 
reicher. Gespräch über Grazie, früh um fünf Uhr. Sie ist jene 
tausendfältige Erfindung von kleinen schmückenden, schenkenden 
und bereichernden Zärtlichkeiten. Begütigung in jedem Augen 
blick. Ein kleiner beständiger Aufwand, eine Erfindsamkeit um 
des Zierats willen. Alles Bosseln und Spielen schafft Grazie, 
und alle Grazie verbindet, verpflichtet. Wer bosselt, hat in jedem 
Augenblick Dinge bereit, die er Verschenken kann. Das huma 
nisiert die Beziehungen, verursacht ein Wiederschenken, Gespräch, 
Unterhaltung. Grazie ist das eigentliche Lebenselement produk 
tiver Naturen. Vielleicht ist Produktivität selbst nur eine Grazie. 
Gratiae gratis datae ... Man betont im Deutschen zu sehr den 
Willen, die Konstruktion. Ja man legt sogar Wert darauf, derb 
und ungraziös, also unproduktiv zu sein. Deshalb verpflichtet 
man sich niemanden und findet keine Sympathien. 
Mit der Grazie ist die höfliche Einstellung zur Umgebung eng 
verbunden. Es muß nicht jede Kleinigkeit wahr und richtig sein; 
man sagt aus Höflichkeit, aus Grazie mitunter auch etwas, was 
nicht richtig ist: um sich anzugleichen. Wer gegen die Grazie 
spricht, kann sich nicht selbst gefallen; denn es bedarf der Grazie 
auch gegen das eigene Innere, gegen die liebe Seele, die oft so 
verstimmt ist, daß nur die Grazie noch sie erheitern und auf 
muntern mag. Man darf sich nicht selber als Polizist behandeln. 
Der Mangel an Grazie macht mürrisch und verdrießlich. Lebendig 
keit und Grazie sind fast identisch. Das Leben will nicht nur 
zu gewissen Zeiten, sondern in jedem Moment geformt, durch 
liebt und durchlichtet sein. Die unverdaulichen Vorkommnisse in
	        
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