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Von Gottes- und Menschenrechten.
4. Die Declaration statuiert eine Dreiteilung der Gewalten, und
zwar eine Zerlegung des Staates in eine gesetzgebende, eine exe
kutive und eine richterliche Gewalt. Diese drei Gewalten zu
sammen sind vom souveränen Volke eingesetzt und verhalten
sich zum Gesetz wie im katholischen Dogma sich die Personen
der Dreifaltigkeit zur Gesamtperson Gottes verhalten. Diese
Idee macht den König, dem nur die Exekutive bleibt, zum Volks
repräsentanten gleichermaßen wie den Gesetzgeber und den Rich
ter und sucht so einer Anhäufung der Machtmittel vorzubeugen.
Die Grundrechte dagegen kennen solche Teilung der Gewalten
nicht; das Problem ist ihnen nicht einmal bewußt geworden.
Um die Grundrechte zu charakterisieren, darf man
5. nicht unerwähnt lassen, daß sie ein halbes Jahrhundert nach
der französischen Revolution, also mit allen Erfahrungen der
Zwischenzeit und mit allen Resultaten des deutschen Klassizismus
abgefaßt sind. Gleichwohl ist von deutscher Humanität und deut
scher Philosophie darin kein rechtlicher Hauch zu verspüren. Das
reiche geistige Bewußtsein der vorhergehenden Generationen ist
den Grundrechten fern geblieben. Der deutsche Humanismus ließ
sich offenbar zu einer klaren verfassungsrechtlichen Formulie
rung nicht an.
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X. Die droits de Phomme sind Naturrechte; sie werden mit dem
Menschen geboren. Sie sind die primitivste Voraussetzung ge
ordneter Zustände, insbesondere nachdem der Souverain durch
eine kirchliche Zucht nicht mehr gebunden ist. Sie geben dem
einzelnen eo ipso das Gefühl seiner Menschenwürde, und sind
auf dieses Gefühl aufgebaut. Gleichwohl bleiben sie nur Geburts
rechte. Das religiöse Bewußtsein könnte eines Tages verlangen,
daß die Rechte, die mit dem Menschen geboren werden, eine Er
gänzung finden durch die Rechte, die Gott und der Mensch durch
die Sakramente (der Taufe und der Firmung) gewinnen. Da sich