Von Gottes- und Menschenrechten.
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Sucht man nach Überresten der Heiligenlehre, so findet man 5.
sie bei Baader, Novalis, Schopenhauer, Wagner; sogar bei
Nietzsche noch. Vor allem aber in der Romantik. Seltsamerweise
hat sie hier ein indisches Gepräge, was wohl darauf hindeutet,
daß sie unter dem Zwange der Aufklärung zwar nicht auszu
rotten war, aber ein alibi suchen mußte. Arnim schreibt einmal:
,Ich glaube, daß ihr alle aus Ostindien stammt, aus der Brah-
manenkaste; denn ihr habt doch alle etwas Heiliges an euch/
*
Die geheimen Kräfte der Nation mobilisieren. Eine Intelligenz
kritik darf die Musik nicht vergessen. Schließlich hat sich die
deutsche Volkstheologie ganz in die Musik verkrochen, und die
Messen und Oratorien besagen vielleicht mehr als die philosophi
schen Systeme.
Die deutsche Musik beginnt mit der Reformation. Irgend
wohin müssen die Engel und Heiligen doch geflüchtet sein'. Sie
sind in der deutschen Musik gut geborgen, und werden eines
Tages, so ist zu hoffen, aus diesem Zufluchtshimmel, nachdem
der frühere wieder aufgebaut, hervortreten. Den Titel eines
Jugendwerks von Nietzsche wird man dann umtaufen können in
eine „Wiedergeburt des Heiligenreichs aus dem Geiste der
Musik“. ,Die Worte sind verpönt, die Töne sind frei': das ist
die Erklärung dafür, weshalb die deutsche Musik so groß, und
die deutsche Prosa so elend ist. In der deutschen Musik ist das
heilige römische Reich begraben, eine Heiligkeit, die sich nicht
fassen und torturieren, die sich nicht schurigeln und entwürdigen
lassen wollte. Noch eignet uns in manchen Strichen jene Schüch
ternheit, die sich im Sichtbaren verschweigt und im Unsicht
baren verhehlt. Das ist unsere innere Civitas dei. Wir müssen