Volltext: Die Flucht aus der Zeit

Die Kulisse. 
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lassen, so trommelt er, bis man ihm beide Arme in einen Gips 
verband legen muß. Es wird nur einmal im Jahr und summa 
risch getrommelt. Die ganze Bürgerschaft beteiligt sich daran. 
Das Reservoir entlädt sich ohne Rücksicht auf Rang, Stand und 
Würde in den unterschiedlichsten Wirbeln, Trillern und Kadenzen. 
Es ist eine wahre Rasselorgie und ein geschlegelter Büß- und 
Bettag. Die hintersinnigsten Zuckungen treten dabei in Erschei 
nung. Alles Verscharrte und Zugeknöpfte wird ausgestülpt und 
hergetrommelt. Man gedenkt seiner verstorbenen Freunde und 
Anverwandte, man gedenkt der verfänglichen Freuden dieser 
Welt und in weiterem Umkreis aller historisch erfaßbaren Hin 
richtungen, Füssiladen, Bataillen und Kasernen; aller Magistrats 
verordnungen, Hunger-, Wasser- und Feuersnöte; aller Pestilenz 
zeitläufte und Brandschatzungen. Man gedenkt mit einem Wort 
aller schreckhaften und funeralen Einrichtungen und Vorkomm 
nisse dieses finsteren Daseins und trommelt sie sich von der Seele. 
* 
Die Trommel (es ist jetzt von der kleinen, nicht von der 
großen die Rede) trägt hier gewissermaßen jedermann als Berlock 
an der Uhrkette oder als Amulett um den Hals. Sie ist der 
Bauch der Zeit, der knurrende Töne von sich gibt, und das Kalbs 
fell der Generationen. Da jeder stets ein Jahr lang Zeit hat, sich 
einen neuen Haken im Tremulo auszudenken, so ist immer einer 
des anderen Lärmhirte und Paukduellant. Und man kann sagen, 
das Stirnrunzeln nehme hier zu gewissen Zeiten derartige Dimen 
sionen an, daß beim jüngsten Gericht ein Basler den andern durch 
Erregung des absolut unübertroffenen Schauders in den finstersten 
Orkus hinuntertrommelt. 
* 
Das mit dem Trommeln ist vernichtend. Als Alarm und Reveille 
betrachtet, ist es die Auferstehung der Toten. Es ist zu über-
	        
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