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Die Kulisse.
die in der Natur keinen Platz haben. Er müßte konstatieren (und
man hat es oft konstatiert), daß die Welt keineswegs von einem
gütig vordenkenden Wesen, sondern von grausamen Monstras
regiert wird, die ihren unbändigen Appetiten erliegen und ihre
Macht auskosten. Über all diese Dinge hat gerade unsere Zeit
einiges Auf- und Einsehen veranlaßt. Wer an die Wirklichkeit
dessen glauben wollte, was ringsum geschieht, der müßte schon
sehr kurzsichtig und schwerhörig sein, daß ihn kein Grauen und
Schwindel ergriffe über die Nichtigkeit dessen, was frühere Gene
rationen Humanität genannt haben.
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15. XI. Den Jargon des Abstrakten vermeiden. Mit Kopfvorgängen
oder mit Windmühlen fechten, ist dasselbe. Die Akademie ist
die Rechenmaschine des mechanistischen Zeitalters. Zwei aus der
Maschine gestanzte Lampenteile sind einander gleich, zwei leben
dige Hasen sind es nicht. Der Hase als Typus ist schon nicht
mehr wahr. Rechnete man soliderweise mit den Individuen, statt
mit Schablonen, so würden die Zahlen so groß, daß heilsamer
weise die Rechnung in sich ersticken müßte und die überkompen
sierte Denkwirtschaft ebenfalls. Der abstrakte Idealismus ist selber
nur eine Schablone. Lebendige Wesen sind und handeln nie und
nimmer identisch, sie seien denn abgeridhtet und für das Pro
krustesbett der Kultur präpariert.
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Wo das ,Ding an sich' mit der Sprache zusammentrifft, hat
der Kantianismus aufgehört.
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17. XI. Wenn Baader damit Recht hat, daß in der Moral das eigent
liche Sein des Menschen, im Gegensatz zum Werden beruht,
dann sind die meisten Menschen nur scheinbar und immoralisch
vorhanden. Wir nehmen weit mehr an der allgemeinen Verwesung