ö
wenn ihnen der Tod im Nacken sifet, sie wissen ihre primi
tiven Bedürfnisse nur primitiv auszudrücken, wenn der Tod
ihren Aermel streift. Es ist eine Freude zu leben. Das
Bürgerschwein, das während des ganzen vierjährigen
Mordens nur seinen Bauch gepflegt hat, kann sich der
Situation nicht mehr entziehen, es steht mit prallen Beinen
mitten in der Hölle. Und die Hölle rast: es ist eine Lust
zu leben. Leben ist Qual, Leben ist Angst, Hast und
Gemeinheit; nie hat man es mehr erfahren: darum sei
das Leben gelobt. Die Kerle werden durch ihre Nervosität
fast zu edlen Bestien, ihre Augen, die stets erloschen
wie Kieselsteine in den Höhlen gelegen haben, werden
aufmerksam und rege. Sie werden alle zu Schülern des
groben Weltgeschehens, sie begreifen dunkel, dab sich
etwas abwickelt, dab etwas passiert auberhalb der engen
sozusagen von Gott gegebenen Privat- und Eamilienzirkel.
An Ecken, auf dem Fahrdamm, überall, wo der Zufall
einen freien Fleck lieb, hacken sie mit giftigen Reden auf
einander los. Ein Publikum bildet sich rasch um jeden
Dialog. Hier, meine Herren, werden Dramen agiert. Wir
befinden uns in homerischen Zuständen.
Die Kuliur der Verlogenheit
Die gröbfe Lüge, die man je in die Welt gesefet hat;
in Deutschland sei Revolution gewesen. Die tollste Phan
tastik, die je einer ausgedacht hat: in Deutschland sei
man dabei, der Wahrheit die Ehre zu geben. (Wann hätte
sich dieses Volk überhaupt je einmal aufgerafft, die Wahr
heit zu erfassen?) Die ungeheuerlichste Verdrehung, wenn
jemand behauptet, man sei in Deutschland zu ehrlichem
Frieden bereit. Niemand macht Revolution, niemand will
Wahrheit, niemand sucht Frieden. Es ist alles anders als
deutsche Tatsachen sagen. Deutsche Tatsachen sind ge
stellt, Kulissen sind zurecht gemacht. Eine feiste, breit-
ärschige Verlogenheit dreht hier das Wort im Munde herum,
ein infantiles Wissen um die Schlechtigkeit der Welt schafft
Akte indianerhafter Grausamkeit und Barbarei. Das ist
das Katastrophale: Es werden immer Scheidemänner in
diesem Volk bestimmend sein. Am Ende findet sich immer
ein Dioskurenpaar, das man in Bronze giebt: Goethe-
Schiller, Ebert-Scheidemann. Etwa so: Das stets Verlogene,
hier wirds Ereignis, das schlau Verbogene, hier wirds getan.
Noch der Bauch Eberls täuscht eine Fülle vor, die nicht
vorhanden ist. Alles was die Deutschen ihre Kultur da
culture par un) nennen, ist verlogen. An den ganzen
Errungenschaften der Dichter und Denker kein wahres
Wort. Das sind die Leute, die mit einem Goetheband im