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die Tiefe auf, er entwand sich der Moralität einer
plastischen Lebensanschauung, er erkannte die Bedingt
heit der Gesetze des Sehens, die sein Auge in diesem
Lande zu dieser Zeit beherrschten, er suchte eine neue
direkte Realität — er wurde, ordinär gesprochen, un
gegenständlich. Er wollte keine Männer, Frauen, Esel
und Gymnasiasten mehr malen, da sie an dem ganzen
System der Täuschung, an dem Theater und der blague
des Daseins Teil hatten — er empfand aber auch, daß das
Malen mit Ölfarben ein ganz bestimmtes Symbol, einer
ganz bestimmten Kultur und einer genau determinierten
Moral ist. Er erfand das neue Material. Er begann
Sand, Haare, Postzettel und Zeitungszettel auf seine
Bilder zu kleben, um diesen den Wert einer direkten
Wirklichkeit zu verleihen, die sich von jedem Herge
brachten entfernt. Er verstand sehr wohl das Ideale,
Geleckte, Harmonische, das in der Perspektive und in
der Ölmalerei liegt, er hatte einen Sinn für die Schiller-
sche Kadenz, die aus jedem Porträt spricht und eine
Empfindung für die Verlogenheit der „Landschaft“, welche
die Sentimentalität der Ölfarbe produziert. Die Per
spektive und die Farbe, die, abgelöst von ihrer natürlichen
Wirksamkeit, aus Tuben zu quetschen ist, sind Mittel der
Naturimitation, sie laufen hinter den Dingen her, sie
haben den eigentlichen Kampf mit dem Leben auf gegeben,
sie sind Teilhaber jener feigen und zufriedenen Lebens
anschauung, die zur Bourgeoisie gehört. Das neue Ma
terial ist dagegen ein Hinweis auf das unbedingt Selbst
verständliche, das im Bereich unserer Hände ist, auf
das Natürliche und Naive, auf die Aktion. Das neue
Material steht in direktem Zusammenhang zur Simulta-
neität und zum Bruitismus. Mit dem neuen Material
hat das Bild, das als solches ja immer Symbol einer
unerreichbaren Wirklichkeit bleibt, den entscheidenden
Schritt nach vorn getan im wörtlichen Sinn, es hat einen
ungeheueren Schritt vom Horizont über die vordere
Bildfläche getan, es nimmt am Leben selbst teil. Der