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Händlern und hupenden Autos zu kommen, ln Zürich 
saßen die internationalen Schieber mit fettem Ranzen 
und rosigen Backen in den Restaurants, zogen das Messer 
durchs Maul und schnalzten ein fröhliches Hurra auf das 
Wohl der Staaten, die sich gegenseitig den Schädel ein- 
schlugen. Berlin war die Stadt der festangezogenen 
Bauchriemen, des immer lauter rollenden Hungers, wo 
die versteckte Wut sich in eine maßlose Geldgier um 
setzte, wo das Interesse der Menschen immer mehr ein 
seitig auf ihre nackte Existenz gerichtet war. Hier mußte 
man mit ganz anderen Mitteln Vorgehen, wenn man 
den Leuten etwas sagen wollte. Hier mußte man die 
Eskarpins ausziehen und das Lavalier an den Türpfosten 
binden. Während man in Zürich wie in einem Luft 
kurort lebte, wo man mit schnuppernder Nase hinter 
den Frauen herlief und den Abend herbeisehnte, der 
Kähne, Lampions und Musik von Verdi brachte, wußte 
man in Berlin nicht, ob man am folgenden Tag noch 
ein warmes Mittagessen haben würde. Die Furcht saß 
den Menschen in den Gliedern, sie ahnten, daß die 
große Sache, die von dem Hindenburg u. Co. geführt 
wurde, sehr schief gehen würde. Man hatte eine exal 
tierte und romantische Einstellung zur Kunst und zu 
allen Kulturwerten. Es zeigte sich das alte Phänomen 
der deutschen Geschichte, daß Deutschland das Land 
der Dichter und Denker wird, wenn es einzusehen 
beginnt, daß es als Land der Richter und Henker ab 
gewirtschaftet hat. Die Deutschen begannen sich im 
Jahre 1917 schon stark auf ihre Seele zu besinnen. 
Eine natürliche Abwehraktion einer bis zum Äußersten 
getriebenen, abgehetzten und ausgesogenen Gesell 
schaft. Das war die Zeit, in der der Expressionismus 
anfing Modesache zu werden, da er seiner ganzen 
Einstellung nach dem Rückzug und der Müdigkeit des 
deutschen Geistes Vorschub leistete. Es war ja na 
türlich, daß den Deutschen die Wirklichkeit nicht mehr 
gefiel, der sie vor dem Kriege durch eine Unzahl von
	        
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