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nach seiner Überlegung das Leben kosten sollte. Am 
I. März wollten wir nämlich zu dritt in Prag in der Pro 
duktenbörse, die fast 2500 Personen faßt, eine Vor 
stellung geben, ln Prag sind nun die Verhältnisse etwas 
eigentümlich. Es waren uns von allen Seiten Schläge 
reien angedroht. Die Tschechen wollten uns verprügeln, 
weil wir unglücklicherweise Deutsche waren; die Deut 
schen hatten es sich in den Kopf gesetzt, wir wären 
Bolschewisten, und die Sozialisten drohten uns mit Tod 
und Vernichtung, weil sie uns für reaktionäre Wollüst 
linge hielten. Die Zeitungen hatten Wochen vor un 
serer Ankunft eine Dada-Monstre-Reklame gemacht und 
die Erwartungen konnten nicht höher gespannt werden. 
Man glaubte offenbar, die lebenden Kühe würden aus 
dem Himmel fallen — auf der Straße bildete man Kordon 
hinter uns, brüllte rhythmisch Dada, auf den Redaktionen 
zeigte man uns zuvorkommend die Revolver, mit denen 
man am 1. März abends unter Umständen auf uns zu 
schießen gedachte. Dies alles war dem Baader mit Wucht 
auf sein Gehirn geschlagen. Der arme Pietist hatte 
sich den Ausgang der Dada-Tournee so ganz anders 
gedacht. Mit mancherlei Geld im Beutel hoffte er zu 
seinen Kindern und seiner Gattin zurückzukehren, um 
von Dada Sparzins zu ziehen und nach vollbrachter ehe 
licher Pflicht, bei einer Pfeife Germania-Ersatz-Tabak, 
sanft seine Heldentaten beträumen zu können, 
jetzt sollte er aber sein teures Leben lassen, jetzt gab 
es die Möglichkeit, daß er seine poetische Laufbahn in 
einer Prager Leichenkammer endete. Alles wollte er auf 
sich nehmen in seiner Angst, jede Schmach wollte er 
ertragen, wenn ihn nur sein Vetter, der alte Judengott, 
mit dem er sich sooft verbrüdet hatte, diesmal noch vor 
der Auflösung seiner Pseudo-Barden-Individualität be 
wahrte. Dum vita superest, bene est. Um 8 Uhr sollte 
die Vorstellung in der Produktenbörse beginnen. Gegen 
7 1 U Uhr frage ich Hausmann nach Baader. „Er hat mir 
einen Zettel hinterlassen, daß er noch einmal rüber zur
	        
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