Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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Erschütterung aller gewohnten und berechenbaren Verhältnisse mit sich gebracht 
haben, wir verhüten nur dann das Verwachsen der verstörten Beziehungen 
zu neuer Ordnung, wenn wir die Lücke als Durchfahrt für den Störer offen 
halten; so marschiert uns Jetzigen der Krieg als Passant durch das aufgebrochene 
Gehege; es bleibt Frieden zu beiden Seiten und hält der erhofften Rückkehr 
der Friedensgegenwart die Mitte offen. 
Nun fragt es sich, ob die Erfahrung des Kriegs das menschliche Wesen 
verändern konnte. Nach dem Ausgeführten ist dies im wesentlichen nicht an 
zunehmen, denn in jede Erfahrung wird der Mensch sich selbst hineinrichten. 
Jene, denen die Fähigkeit sich selbst zu wandeln als Wesensbestandteil bereits 
in die wiege gelegt ist, kann eine verlorene Schlacht nicht anders umgestalten, 
als ein verlorenes Blatt im wind, dem das Gefühl zufällig gefolgt war; sie 
sind nicht durch die Erfahrung, sondern von vornherein verwandelt, die Um 
stände sind nur die Schnur, daran sie sich entlang tasten, und nicht von ihnen 
ist die Rede. Diejenigen aber, denen die Erfahrung nur eine quantitative 
Vermehrung des bisherigen Bestandes ist, ändern mit der Situation die darauf 
eingestellte Wesensrichtung. 
was wir vom menschlichen Wesen im allgemeinen annehmen, ist bei deut 
scher Art besonders zutreffend. Sicher werden temperamentvollere Völker 
schneller in ihren weniger zähen wurzeln gelockert: der Deutsche ist eine 
schwere Masse, die, aufgepeitscht, sich für einen Augenblick furchtbar bäumt, 
dann aber in die nach außen träg scheinende Ruhe zurückdrängt. 
1979 gibt uns Recht, wir kennen alre Veteranen, welche die auch jetzt sich 
ereignenden wefensveränderungen durchgemacht haben; sie sind heute ihren 
Mitbürgern gleich. Ihre Bräute von damals sind heute ihren niemals aus 
der kleinen Sicherheit gerissenen Mitbürgerinnen gleich. 
Die Unfähigkeit der Umstände den Menschen dauernd über sein ihm ge 
stecktes Maß hinauszutreiben, ist die Gewäbr langen nationalen Lebens. Ein 
langes Bestehen ist die erste Bedingung ausgedehnter Möglichkeiten, es ist das 
große Feld, auf dem eine Generation nach der anderen ihre Scholle langsam 
ergreift, festhält, verteidigt, immer nur dieselbe durchackert und der folgenden 
feindlich ist. Dadurch wird langsam das ganze Feld gründlich fein durch 
gebildet, und kein in die Grenzen der Bearbeitung endlich hereingerungenes 
Häuflein neuen Bodens ist auf Sand gebaut, wo jeder einzelne sein geringes 
Erbteil festhält, ist der Weltenhaushalt behindert Luftsprünge zu machen und 
nur das nötig Gewordene setzt sich durch; der Ueberschuß neugestaltender 
Kräfte jedoch wird zu keinem nutzlosen Spiel ins Hierhin und Dorthin: scharf
	        
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