Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

aufschlägt? Und warum finden wir denn, von Dürer bis auf Mozart und 
Goethe, die deutschesten Deutschen immer auf dem Weg nach Italien? Fast 
scheint es, als erwache der deutsche Geist zu sich selbst immer erst gereizt durch 
Fremdes. Er braucht es, um daran erst, befremdet, gleichsam zu sich selber 
aufgeregt, ja aufgeschreckt zu werden. Neugierig kommt er dem Fremden ent 
gegen, ergibt sich ihm halb und in eben diesem Augenblick, wo er sich fast 
verloren glaubt, fühlt er sein eigenes Wesen mit einer Macht, die ihn selbst 
erstaunt, und wird, was er ist, nun selbst erst gewahr. Die größten deutschen 
Taten sind alle stets Antworten auf fremde Fragen gewesen. 
wenn wir nach dem Rrieg daran gehen werden, uns innerlich wieder in 
Ordnung zu bringen, wird mancher Begriff, mit dem wir bisher ausreichten, 
unbrauchbar geworden fein, wir werden ihn uns erst neu zurichten, wir werden 
überall umlernen müssen. Alle können sich darauf berufen, daß sie nun ihre 
nationale Gesinnung bewiesen haben. Allen liegt daran, auch künftig in 
nationaler Gesinnung vereint zu bleiben. Das ist das Höchste, was uns dieser 
Rricg gebracht hat; wir wollen es uns erhalten. Da wird das aber eine 
nationale Gesinnung fein müssen, in der nun auch alle Play haben. Jeder 
Stand, jede Rlasse, jeder Glaube, jede Weltanschauung, jede Partei muß 
darin unterkommen können. Und nicht bloß die Deutschen selbst, sondern auch 
jedes andere Volk, das deutschem Geiste gehorchen will. wer willens ist, deut 
scher Macht zu dienen, so gut er kann, muß uns willkommen sein. wer bereit 
ist, deutsch zu sein, muß es auf seine Art versuchen dürfen. Da wird sich un 
willkürlich der Begriff des Nationalen umbilden und ausdehnen müssen, des 
Deutschen Vaterland wird geistig größer sein, die deutsche Seele wird wachsen 
müssen. Es ist ja nicht das erste Mal. wie kleine Flügel hatte doch die deutsche 
Hoffnung J$J3! wie bedächtig schritt noch J870 die deutsche Zuversicht! wer 
hätte damals einen Blick auf das Meer gewagt? Heute will er die Welt um 
spannen! Der alte Begriff des Nationalen ist zu klein geworden für den neuen 
nationalen willen, er muß ihm nach, er muß fähig werden die Welt einzufassen. 
Der Nationalstaat ist zu enge geworden für den deutschen willen, ein Welt 
reich braucht der deutsche Geist. So wird er sich aber auch eine Form schaffen 
müssen, weit genug, um eine Welt aufzunehmen. So paradox das klingen mag: 
aus Nationalismus gerade wird der Deutsche, nicht international, aber über- 
national werden müssen. Das ist das richtige Wort dafür: übernational! 
International, das war doch immer bloß ein behutsames Gegenüber, jetzt aber 
sollen unseres Geistes Adlerschwingen über einer deutschen Welt rauschen! 
Manchem mag es schwer werden, sich vorzustellen, wie man es denn an 
fangen soll, ein echter Deutscher zu sein, also fest begrenzt, und doch aber über 
diese Grenzen noch hinaus zu leben, wer daran zweifelt und es für Gaukelei 
hält, vergißt, daß es in vielen längst Wirklichkeit ist. wenn es möglich wäre 
Geister zu sezieren, der Geist eines stramm national gesinnten Unternehmers, 
Großkaufmanns oder Bankdirektors würde heute die seltsamste Mischung zeigen.
	        
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