s kann fein, daß ein geistiger Wanderer, an einem Tag
von unentrinnbarem Drang nach Worms verschlagen, die
erste Straße dort entsetzlich findet, unruhigen und zu im
voraus begeisterten Blutes den Dom nicht recht zu fassen
vermag, ihn dick und zu gebunden durch Häuser und ohne
Distanz schließlich überhaupt empfindet, daß er mißmutig
die Stadt verläßt und ungern an das Abenteuer dieses
mit Extase angetretenen Tages zurückdenkt. Es kann sein,
daß diesen Wanderer der folgende Tag nach Berlin verschlägt und daß er,
der strahlend und gesund von Frankfurt aufbrach, grundlos, (weil wie der
Bürger glaubt, dennoch keineswegs wechselnde Empfindung sich aus Empfind
samkeit folgert), grundlos nachts in Berlin seelisch aufs letzte erschöpft ankommt.
Sein Arbeitszimmer, das ihm ein Freund empfahl, ist ein riesiger Raum, in
exotischster weise ausgenutzt und ausgestattet. Da hängen von afrikanischen
Tieren wütende Hörner, Büffel, zärtliche Antilopen, dazwischen strecken sich
Pfeile, Bogen, geflochtene Röcher, auch Speere. Die Blumenvascn sind breit-
bauchige, sehr schmal zugespitzte Früchte. Und die Decken und Vorhänge sind
gewebt aus Bast mit harten primitiven Farben. In der Luft hängt der Atem
schrankenlosester Abenteuer. All das erregt ihn unendlich und verstimmt ihn
und seine Nervosität steigert sich, als er das Schlafzimmer betritt und seine
galante Herrichrung einsaugt, die sorgsame gleitende Boudoirregsamkeit der
Pensionbesitzerin beobachtet, den Marmor sieht in den Wandeinlässen, den aus
holenden Divan mit dem hohen Fell des weißen Wildschweins, das aufschwellende
Bett und den Fries pompejanifcher Frauengestalten in leicht schwebenden Bildern,
während einer schlaflosen halben Stunde aber in der Nacht erscheint ihm
plötzlich, wie durch die Transparenz seines Mißbehagens und quälenden Denkens,
die schwimmende Silhouette des Wormser Doms vor dem abendlichen Horizont,
mit einer wahnsinnigen Gebärde von Rraft vor ihn hingeschleudert, mächtig,
stolz und ungeheuer. Die Gewalt der Erscheinung wirft sich über ihn, ver
gewaltigt sein Denken, er findet einen unbegreiflichen Rausch darin, in der Wucht
des Bildes aufzugehen, sich zu finden und zu verkörpern — und er glaubt mit
einem Mal, daß dieser ganze Tag in dieser Stadt, der ihn damals verstörte,
ein großer Genuß und fabelhaftes Erlebnis gewesen sei. Langsam mit dem
Verklingen der Erscheinung findet er sich erst wieder in sein Leben. Die nächsten
Tage reißen ihn durch die Fieber grenzenlosester Diskussionen, seelischer Trans
formationen, geistige Erregungszustände und Tumulte, physisch jagt er von
Auto zu Auto. Dazwischen Pausen penetrantester Abenteuerlichkeit. Er sieht
dazu in einer ruhigen Vormittagsstunde den Tiergarten, von fast realer roter
Sonne überschwemmt, in der unsäglichen Mildheit märzlichen Schnees, erlebt
die süße Dämmerung des Rurfürstendamms und erblickt von der Stadtbahn
aus handschlagkurz über deb verklärten von innen herausstrahlenden Mittags-
form der Frühlingsftadt in einem schmächtigen Silber das lange Glänzen eines
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