Schüler, keineswegs zweckbewußt, absichtsreich, pointiert, teleologisch — sondern
er gibt Worte, die sogar, wenn sie preziös sind, unbesonnen, doch durchsonnt
aus dem Unterbewußtsein Herströmen. wie es bei träumenden Knaben selbst
verständlich ist: nicht das ganze Versgebilde ergibt einen zweckmäßigen Sinn,
jeder einzelne Vers sagt sein wohlklingend Teil, Gedanken durchrauschen har
monisch die Strophen, keine niedrige Einheit wird angestrebt, forttropft die
unendliche Melodie...
Auch die Bilder dieses Buches ergeben niemals einen landläufigen Sinn,
sind eben mehr als ein malerisches Einmal: ein von einprägsamen Farben
durchspültes, durchglühte» Traumgewebe! wie Frau Lasker-Schüler sagt:
„Strahl in Strahl, verliebte Farben..., die sich himmellang umwarben — bis
Kokoschka kam, sie fand, mischte, symphonisch komponierte, die Wiederkehr
einer Farbe innerhalb desselben Bildes symbolisch verwendend. Es sitzt etwa
auf einer schwarzen Insel, die ein tiefblauer Strom kreisend umfließt, eine
Frau, das Haupt gelehnt auf ein grünes Schlaf- und Tränentuch, dessen Grün
weiterhin mit dem Grün zur Ruhe ladender wiesen, ruhenden Laubes identisch
ist und korrespondiert. Dem Rot strombewohnender, unreiner, hämisch-gefräßiger
Fischtiere entspricht wieder in der Farbensprache ein ähnlich gefärbter Rleid-
komplex der schlafenden Frau. Und so läßt sich von sehenden Augen die schein
bare willkürlichkeit seiner Farbenträume auch gesetzmäßig deuten, wenn man
schon durchaus diesen oft rokokozarten hypnagogischen Gesichten gehirnbehaftet
auf den Leib rücken will, um Dinge, die echt sind, wie Schöpfungen von Mathias
Grünewald oder Dürer, verstandeskalt zu zerstören. Ein Scheinkenner könnte
bei dem ganz jungen Kokoschka auch von mittelalterlichen oder chinesischen Ein
flüssen zu reden anheben, nicht ohne dann doch vor einem ihm eigenen Eins
werden organischen und anorganischen, belebten und vegetativen Wesens: vor
Schildkrörenbäumen, Zeitpflanzen, Uhrpflanzen, den Blumen entsprießenden
Tieren starr zu werden, wer die Fähigkeit besitzt, „Die träumenden Knaben"
archaischen Beiwerks zu entkleiden, sich durch die georgeartige Interpunktisns-
weise der wiener Werkstätte nicht stören zu lassen, wird das Allegorische der
Bilder leicht fassen können, und im Text moderne, echtbürtige Nachkommen
schaft des — „Hohen Liedes" grüßend erkennen dürfen.
Kokoschkas literarische Ahnherren, oder aber, da er sie zum guten Teil
kaum kennt: seine „Verwandten" sind in sehr vornehmen Bezirken der Welt
literatur ansässig. Seine Dramen (enthalten in dem bei Rurt wolff, Leipzig ISlZ,
erschienenen, von Paul Stefan mit einem Vorwort versehenen Bande „Dramen
und Bilder") gemahnen in ihrer Bizarrheit und schlichten Paradoxie an
Brentano, Maeterlinck und wedekind. Sie entladen in ihren wortkargen,
formelhaften, definitionssicheren Wendungen ein reichliches Quantum Explosiv
stoffe. Kokoschka ist eben als Dichter wie als Maler, wenn man ihn schon in
eine dieszwecks neuzuschaffende Gruppe einreihen will: Explosionist. Er schafft
der Not gehorchend — dem eigenen Triebe! Umnebelt ihm romantisch-arabeskes